Bordeaux 2005: Herrlich gemächlich.

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Geduld wird belohnt. Wer genug Bordeaux 2005 bunkerte, hat nichts falsch gemacht. Der Jahrgang reift herrlich gemächlich. (Fast) alles passt. Ein Zwischenbericht nach gut 15 Jahren.

Bordeaux 2005 gehört zu meinen Lieblingsjahrgängen. Zum 15. Geburtstag des grossen Jahrgangs wollte ich eine repräsentative Horizontale auf die Beine stellen. Schnell waren 18 Weinfreunde von der Idee begeistert und lieferten 2005er aus ihren Kellern ein zu «Bring your own Bordeaux 2005».

Aufgrund Corona verlängerte sich die Vorfreude über eineinhalb Jahre und nach zweimaliger Verschiebung klappte es dann endlich im November 2021 zum Stelldichein im Napagrill Zürich.

Wegen der relativ aufwendigen Organisation konzentrierte ich mich am Abend selber mehr auf den Ablauf des Tastings als im Detail auf jeden Wein. Für präzise Notizen zu allen Weinen empfehle ich euch den Bericht von Adrian van Velsen auf vvwine.ch

Zusammenfassend bestätigt die Probe meine Erwartungen. Der Jahrgang ist grandios. Ein richtig intensiver, klassischer Bordeaux Jahrgang. Ich spreche bewusst von «klassisch». Dieser Begriff wird meiner Wahrnehmung nach zu oft für gerbstoffintensiven, kernige Jahrgänge missbraucht um diese schön zu reden. Im Fall vom 2005er meine ich es absolut positiv. Ja, die Tannine sind sehr präsent, die Kraft beeindruckend, doch da ist dermassen viel Fruchtsubstanz und Fülle vorhanden, dass es eben ein sehr langlebiger, klassischer Bordeauxjahrgang geben wird. Mehrmals ging mir durch den Kopf: «Ein richtig, kerniger Schluck Bordeaux».

Interaktives Blind-Tasting mit Live Voting

Sucht man Vergleichsjahrgänge aus den 00er Jahren, fällt mir in Fülle und Kraft nur 2000 ein. Die beiden Jahrgänge belegen ex aequo Platz 2 der 00er Jahre hinter dem unerreichbaren 2009. Mithalten würden höchstens die besten 2003er Médocs, aber das ist ganz ein anderer Stil.

2005er entwickelt sich beharrlich, ohne Eile. Viele der verkosteten Weine befinden sich in einer langen verschlossenen Phase. Insbesondere die Medocs. Die folgenden Jahrgänge 2006, 2007, 2008, und 2009 werden ihr Genussfenster früher öffnen.

Wie immer bei jungen Horizontal-Verkostungen ist das Potenzial (+ Bewertung) fast wichtiger als die aktuelle Punktzahl überhaupt. Ich impliziere ich nicht gerne Potenzial in die Benotung. Klar ist, dass viele der degustierten Weine in den nächsten zehn bis zwanzig Jahre noch um etliche Punkte zulegen können.

Je nördlicher – je geduldiger

Obwohl unsere Probe bewusst keine Médoc Premiers beinhaltete, beziehen sich meine Ausführungen auf die Spitzen-Chateaux. Weine aus dem mittleren und tieferen Qualitätsebenen dürften nach gut 15 Jahren ihre Trinkreife erreicht haben und wahrscheinlich mehr Spass machen als einige ihrer viel teureren, tiefschlafenden Kontrahenten.

Am meisten Geduld benötigen die Cabernet Sauvignon dominierten Medoc. Insbesondere das St. Estèphe Spitzentrio zeigen allesamt mehr Potenzial als Zugang. Einzig Calon-Ségur (93+ tr – 2040) zeigt sich etwas offener. Cos d’Estournel (94+ 2030 – 45) und Montrose (95+ 2030 – 50) muss man unbedingt liegen lassen.

Im St. Julien begeisterte der grandiose Léoville Las Cases (96+ 2030 – 55) und nur knapp dahinter performt Léoville Barton (95+ 2025 – 45) eindrücklich. Noch mehr Geduld verlangt der dritte Léoville im Bunde. Léoville Poyferré (92+ 2030 – 50). Erstaunlich voluminös und preislich hoch attraktiv präsentierte sich der formidable Gruaud-Larose (94+ 2025 – 45). Ebenfalls ganz gross wird Ducru Beaucaillou (95+ 2030 – 45) der jetzt schon verlockend und mit erstaunlich geschliffenen Gerbstoffen aufwartet.

Pauillac

Die Pauillacs sind durchwegs sehr präzise auf Kurs. Gute Frucht, Substanz und Gerbstoffe. Mit zwei bis drei Stunden dekantieren, könnte man sie wach küssen. Besser ist zehn Jahre warten. Sehr frisch und voluminös wirkt Grand Puy Lacoste (94+ 2030 – 45). Der sonst früh attraktive Lynch Bages (93+ 2030 – 45) nimmt sich im 2005 extrem viel Zeit, wie auch Pichon Baron (94+ 2030 – 50) der einmal mehr zu dieser Zeit deutlich vor seinem Nachbarn Pichon Comtesse Lalande (91+ 2030 – 45) liegt.

Phänomenal, riesengross und langsam seiner Genussphase nährend. Das ist Pontet Canet (97+ 2025 – 45) Was für ein Wein. Klar – das war der Publikumssieger der zweiten Serien.

Margaux und der Süden

Viel erwartet hatte ich von Palmer (keine Bewertung). Eine artig dumpfe, leicht oxydative Note lässt auf eine schlechte Flasche schliessen. In die Bresche sprangen seine Margaux Nachbarn. Du Tertre (93+ tr – 2040) ist 2005 ein absoluter Topkauf und holte in diesem Jahr das Maximum raus. Und Malescot-St. Exupery (94+ 2025 – 45) erwachte in dieser Zeit definitiv aus seinem Dornröschenschlaf.

Leider korkte Domaine de Chevalier leicht. Einmal mehr auf hohem Niveau dagegen Haut Bailly (95+ 2025 – 45). Eine richtige „Schnorre“ voll Bordeaux…. Und Pape Clement (96+ 2025 – 45) begeisterte durch seine röstige, lederige Art das Publikum und gewann die dritte Serie klar.

St. Emilion mit Fragezeichen

Der „St. Emilion/Médoc Hyprid“ Figeac (93+2030 – 45) mit seinem hohen Cabernet Sauvignon Anteil und dementsprechend knackigem Gerbstoffgerüst zeigt wenig Zugang. Ebenfalls Troplong Mondot (94+ 2025 – 45) entwickelt sich langsam aber sehr schön. Nichts grünes spürbar wie in früheren Jahren. Trotzdem hat ihm die 100 Parker Punkte wohl niemand so richtig abgenommen und ist der günstigste „100er“ im Bordelais.

Dreistellig geadelt wurde en primeur auch Pavie (90? tr – 2030). Der Wein wirkt pflaumig, malzig, mit gebrechlicher Statur und bereits ersten sehr reifen Aromen. Ebenfalls fraglich und mit leicht flüchtiger Säure versehen war Canon (89? tr – 2035). Auch hier muss man einer zweiten Flasche die Chance geben.

Dann kommen wir zu den Highlights. Sehr gut gefiel mir Angelus (94+ 2030 – 2050) mit super Konzentration und Länge. Nicht überladen, so richtig geschmeidig, fülliger Merlot. Aber auch hier liegen durch aus noch ein paar Punkte in reifer Phase drin. Ebenfalls sehr gut unterwegs scheint Canon la Gaffeliere (93+ 2025 – 40) zu sein. Er wirkt mit seiner leicht exotisch-würzigen Art etwas zugänglicher. Aber auch hier sind ein, zwei Jahrzehnt Lagerung kein Problem.

Etwas universell, aber präsent offen zeigt sich Clos Fourtet (91 tr – 2035). Ein richtig ausgeprägter „Frucht St. Emilion). Präzise gemacht mit mässigem Entwicklungspotenzial. Ähnlich erlebte ich auch Larcis Ducasse (92+ tr – 2035) Ein eleganter, feingliedriger Wein. Zeigt im Abgang aber dann schon noch Zähne. Kann noch zulegen.

Ein fantastischer Wein, auch schon in dieser jungen Phase, ist der feingliedrige, tiefgründige Tertre Roteboeuf (96+ tr – 2040). Ihm attestiere ich eine sehr lange Reifezeit, aber die Schönheit in dieser Jugendlichkeit ist schon beeindruckend. Das ist wieder so ein Wein, wo man irgendwann die letzte Flasche aus der Kiste nimmt und merkt, dass man alle anderen elf zu früh getrunken hat… Natürlich Publikumssieger in der St. Emilion Serie.

Wenn Du wirklich den ultimativen Drang verspürst 2005er Bordeaux jetzt zu trinken, und Du bist davon breit eingedeckt, dann empfehle ich Dir:

Pomerooooooohhhl!

Nichts schiefgehen kann mit dem geschmeidig, eleganten Clinet (94 tr – 2035). Gute Frucht, neckische Barriqueröstaromen und einfach nichts störendes aber auch nichts auf das man sich noch mehr freuen kann. Zapfen raus und rein ins Glas… Hemmungslos. Ein ähnlicher Schmusepomerol aber mit deutlich mehr Substanz und verlockenden rotbeerigen Aromen ist La Conseillantes (95+ tr – 2035). Er verfügt immer noch über einen laktisch, cremigen Barriqueschimmer. Modell Immerschön.

Sehr charmant auch L’Eglise-Clinet (95+ tr – 2035) mit seiner zärtlichen Schokonote und unterlegt mit guter Fruchtsubstanz. Vielleicht etwas gar schüchtern und zurückhaltend. Da geht noch was. Extrovertierte erlebte ich diesen Top Pomerol an René Gabriels Vertikale im Oktober 2020.

Eine sichere Bank ist der verlockende und mit immensem Potenzial ausgestattete L’Evangile (97+ tr – 2040) Er hat alles was man von einem grossen Pomerol erwartet. Frucht, Fülle, Tiefgang und Geschmeidigkeit. Jetzt schon sehr verlockend mit weiterem Steigerungspotenzial. Genauso dramatisch und faszinierend: Certan de May (97+ tr – 2045) . Ein Power-Pomerol mit Rasse und Klasse. Zeigt sich jetzt schon genial. Kaum auszudenken was in zehn Jahren noch möglich ist.

Irgendwie völlig locker und unaufgeregt, präsentierte sich der geniale Gazin (96+ 2005 -45). Er war der kräftigste Wein der Serie. Klar auch jetzt schon schön, aber auch hier Potenzial ohne Ende. Langsam mache ich mir Sorgen über meine eigene Lebenserwartung….

Uns alle überleben wird d’Yquem (95+ tr – 2070). Ein ungemein frischer, spannungsgeladener Sauternes. Nichts klebrig, üppiges. Ein toll balancierter Wein mit Länge und Esprit.

So, das wars. Mehr Details zu den einzelnen Weinen findest Du bei Adrian van Velsen. Abschliessend gratuliere ich allen, die damals trotz schmerzhaft hohen Preisen genug 2005er Bordeaux eingebunkert haben. Viel Geduld!

Nachkaufen lohnt sich immer noch. Bezugsquelle: Wine-Rarities.com

1 Kommentar

  1. Veröffentlicht von Alexander Ulrich am 10. November 2021 um 22:38

    Was für ein toller Bericht über diesen grossen Jahrgang Bordeaux. Es zeigt, da reifen Spitzenweine heran. Ich persönlich öffne an und zu schon diverse 2005 BX. Einzig der Unterschied, dass ich mich an noch kleinere Château halte, welche schon in Trinkreife stehen. Dazu möchte ich unbedingt den Phélan Ségur erwähnen, auch Meyney, Château Belgrave, den Rolland de By, den Tour Haut Caussan und den Le Boscqu. Auch fand ich den La Tour de By dieses Jahrgangs sehr schön. Da mein Kellerbestand mehr Médoc beinhaltet als von der rechten Seite muss ich bei den grossen Namen noch weiter zuwarten. Was für ein Glück, andere Jahrgänge zu kennen, die bereits heute fantastisch zu geniessen sind.
    Dass Palmer nicht gut performt hat ist sicher einer schlechten Flasche geschuldet. In Summe eine wirklich tolle Probe, und dass es auch ohne Prémiers geht ist vollkommen in Ordnung. Danke Baschi, dein Bericht erzeugt meine volle Hochachtung.

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