Zu wem passt der Wein?

Weinempfehlungen: „Dieser Wein passt am besten zu leichten Vorspeisen. Der ideale Begleiter zu einer rassigen Pasta. Geniessen Sie diesen edlen Tropfen zu einem guten Stück Fleisch“… Ghääähn… Natürlich hilft eine einigermassen sinnvolle Wine-Food-Pairing. Doch viel wichtiger ist die Frage „Zu wem passt der Wein“. Mit wem geniesse ich diese Flasche und wann? So quasi: Der optimale Weinmoment. Ich habe ihn erlebt. Kürzlich. Wie kam’s? Telefonanruf am Mittwoch von meinem Weinfreund Sven Fischer: „Du Baschi, was machsch du denn am Fritig Obig, hesch scho öppis vor?“ „Nein, eigentlich nichts, geniesse das Wochenende zuhause…“ „Isch guet“, fährt Sven fort, „dann bin ich so gegen sechs mit was zu trinken bei dir…“.

48 Stunden später. Sven steht mit einer Flasche Heitz Martha’s Vineyard 1978 unter der Türe. Hallelujah – Das Wochenende kann beginnen! Grill einheizen (Heitz Weine passen übrigens immer zu Grillfleisch, wegen dem Grill hei(t)zen…. Hitze, Heitz – verstehen Sie? Nicht…? egal.) Grillieren ist für mich Instinktsache – genauso wie der Gang in den Weinkeller, um noch ein, zwei Begleiter für Martha auszuwählen.

Sofort nach Svens Anlieferung öffneten wir die 78er. Gespannte Blicke in der Küche, Korken okay, Farbe helles Granat, leicht orange Ränder, Bouquet….? Perfekt!!!! Ist Martha beim Öffnen sauber wird’s ein toller Abend. Bei der muffigen Variante lamentieren und zweifeln wir jeweils bis zum letzten Tropfen. Also ab in die Karaffe und nochmals zwei Stunden in den kühlen Keller mit ihr. Und los ging’s mit dem attraktiven Rahmenprogramm: 

Beeindruckend gleich zu Beginn: 2010 Agricola Gianpiero Marrone Sancarlo Langhe Rosso (Nebbiolo, Barbera Blend) Dichtes Rubin, geniales Bouquet. Tiefgründig, Kirschen, Cassis, etwas Teer, Schoko und prächtige Holzbegleitung. Fülliger Körper, tolle Balance und Länge. Ein Intensiver, bulliger Sancarlo, mit moderner Prägung. Ein unglaubliches Preis-/Genussverhältnis. Eigentlich wollte ich nur Svens Expertenmeinung zu diesem Piemont Geheimtipp, aber irgendwie zog es uns den ganzen Abend immer wieder zu dieser Karaffe hin.

1994 Groth Reserve Cabernet Sauvignon mit würzig mineralischem Bouquet. Blau- und schwarzbeerige Grundaromatik. Etwas Tabak, Feuerstein, leichte Peperoni. Mittlere Intensität, klassischer, herrlicher „old Fashion“ Cab, der alles aus dem grossen Jahr herausholt. 

1978 Heitz Cellar Martha’s Vineyard Cabernet Sauvignon: Kaum verändertes Bouquet seit dem Öffnen. Pflaumen Kompott, Cassis, Schwarztee, viel Minze, Eukalyptus, Kampfer, Jod und Jute. Zunehmend sogar noch Vanillearomen und Himbeere. Geschmeidig, eleganter Körper. Lebendig, anmutig mit frischer Säure ausgestattet. In der Nase befürchtet man, dass er langsam „kippen“ könnte. Will heissen, dass die Luft den alten Wein eher zum oxidieren als zum Entfalten bringt. Doch nichts dergleichen passierte. Der Wein bleibt agil, hält sich fantastisch und bereitet uns grosse Freude. Der perfekte Wein, im richtigen Moment mit den richtigen Menschen (und ja, das Essen passte auch dazu)….

Es ist noch nicht so spät… „Was meinsch, Sven…?“ Ein Blick reicht, der Fall ist klar. Runter in den Keller. Zapfen raus und rein ins Glas: 1985 Chateau Lynch-Bages. Der heimliche Sieger der tollen 85er Probe (Back to The Future). Als hätte der Lynch auf diesen Moment gewartet, präsentierte er sich sofort in Top Form. Offenes Bouquet. Dunkle Beeren, Leder, Bisquit, Tabak, Baumnussschalen und Erdnüsse. Leicht animalische Anflüge. Füllig im Gaumen, perfekt reif, herrliche Cabernet Süsse, mit mineralischem Abgang. 

Solche spontanen Erlebnisse, Momente wo alles stimmt sind die Faszination unserer Weinleidenschaft. Ein wunderbarer Abend. Danke Sven.