Wieder Montrose 1990. Wieder. Immer wieder.

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Und wieder stellt der dramatische 1990 Montrose alles in den Schatten. Doch nicht nur der 90er begeisterte, was eine aktuelle Probe von über einem Dutzend Jahrgängen dieses edlen Deuxieme  St. Estèphe bewies.

Auf dem wunderbaren Anwesen Bromenegg in Romerswil bei Yasmin und Michael Wüst organisierten René Gabriel und Bärti Stocker eine eindrückliche Probe von 15 Jahrgängen Chateau Montrose. Die Stimmung, das Wetter, die Weine, die Gäste, das Essen – alles passte. Herzlichen Dank euch allen für dieses tolle Erlebnis.

Château Montrose, 1855 als Deuxieme Cru klassifiziert, gehört zu den sogenannten „Super Seconds“. Preislich und qualitativ von Jahr zu Jahr näher bei den südlicheren Nachbar-Premiers. Zusammen mit Cos d’Estournel bildet Montrose die qualitative und preisliche Spitze im St. Estèphe. Das Gut gehörte seit 1896 der Familie Charmoluë und wurde im Jahr 2006 von Martin und Olivier Bouygues (Baugesellschaft Bouygues) übernommen.  

 

2015 06 montrose

 

Die Rebflächen umfassen 69 Hektar und sind zu 65% mit Cabernet Sauvignon, 25% Merlot, 8% Cabernet Franc und 2% Petit Verdot besetzt. Die Reben sind durchschnittlich 50 Jahre alt. Die Gesamtproduktion des Gutes umfasst zirka 350.000 Flaschen Wein im Jahr, wovon etwa 40% auf den Zweitwein „La Dame de Montrose“ entfallen. 

 

 

Neue Montrose kosten CHF 80 – 120 pro Flasche. Die letzten Top Jahrgänge 2009 und 2010 (beide 100 Parker) gibt’s ab CHF 250.- Da Montrose als sehr lagerfähig und langsam reifend gilt, lohnt sich auf jeden Fall ein Blick auf die älteren Jahrgänge in den Auktionskatalogen… 

 

1933  Chateau Montrose, Saint-Estephe  10/20  vorbei
1958  Chateau Montrose, Saint-Estephe   16/20  vorbei
1963  Chateau Montrose, Saint-Estephe   13/20  vorbei
1970  Chateau Montrose, Saint-Estephe   15/20  austrinken
1988 Chateau Montrose, Saint-Estephe   16.5/20  trinken – 2020
1989  Chateau Montrose, Saint-Estephe   19/20 trinken – 2025
1990 Chateau Montrose, Saint-Estephe   20/20 trinken – 2030
1991 Chateau Montrose, Saint-Estephe   17/20 austrinken
1994 Chateau Montrose, Saint-Estephe   15.5/20? trinken – 2025
1995 Chateau Montrose, Saint-Estephe   18+/20 trinken – 2030
1996 Chateau Montrose, Saint-Estephe   19/20 trinken – 2030
2000 Chateau Montrose, Saint-Estephe    18/20  trinken – 2040
2001 Chateau Montrose, Saint-Estephe   18/20 trinken – 2030
2004 Chateau Montrose, Saint-Estephe  (Imperial) 18/20 trinken – 2035

 

Sie verstehen mich schon richtig? Wenn ich behaupte, es lohne sich alte Montrose nachzukaufen, muss es ja nicht gleich der völlig kaputte 1933 Montrose sein. Alleine schon das penetrante Nagellack und Kloaken Bouquet hält einem weit davon ab, auch nur einen winzigen Schluck dieser Brühe zu probieren. 1958 Montrose ist noch ordentlich zu trinken. Klar, deutlich über dem Zenit. Rosinen, nasses Holz, Tabak, grüne Paprika. Im Gaumen säurelastig und endet metallisch. Wenn Sie bald Ihren 60. Geburtstag feiern, und es müsste unbedingt was aus Ihrem Jahrgang auf die Wunschliste, wäre dieser Montrose eine achtbare Variante.

Einen grossen Bogen sollten Sie um 1963 Montrose machen. Der Wein wirkt in seiner überreifen, pflaumig, schokoladigen Form wie ein alter Rioja und zerfällt völlig im Glas. 1970 Montrose zeigt sich in seiner typischen Jahrgangsstrenge. Erstaunlich dunkel, leicht oxydative Nase, medizinal, mit Jod und Merfen. Zeigt noch eine gewisse Süsse im Gaumen, endet aber trocken und kantig mit artiger Pilznote.

 

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Rustikal, etwas grün und mineralisch kommt 1988 Montrose daher. Die Aromen sind sehr reif, der Wein zeigt sich aber kühl und distanziert mit nach wie vor viel Säure. Ein Traumwein in perfekter Trinkreife ist 1989 Montrose. Reife Pflaumen, etwas Rosinen, Lebkuchengewürz, Leder, Jod und Teer. Der Wein ist sehr fein strukturiert, geht eher in die Länge als in die Tiefe. Dörrfrüchte im Abgang. Die Aromen entfalten sich laufend im Glas, was auf eine sichere Zukunft dieses Weins hindeutet. Wie oft wurde der Vergleich Montrose 1989 zu 1990 schon herbeigezogen? Dabei sind es für mich sehr unterschiedliche Weine. Beide auf einem Top Niveau! 1990 Montrose zeigt sich viel extrovertierter. Unglaublich offensives Bouquet. Dunkelbeerig, Ricola, Nuss, Lakritze, Popcorn, Kandis. Im Bouquet fast kalifornisch. Im Gaumen klassisch St. Estephe. Druckvoll, intensiv, voluminös. Ein faszinierender, komplexer, tiefgründiger Montrose mit atemberaubender Länge. Einer der grossten Weine der Welt!

Überrascht hat mich 1991 Montrose. Dem hätte ich nicht mehr viel zugetraut. Er zeigt sich gut erhalten. Natürlich dem Jahrgang entsprechend leicht, aber stimmig. Schwer verständlich schien mir 1994 Montrose. Wie bei vielen 94ern Bordeaux fehlt es einfach an Fülle und Charme. Das Bouquet ist recht holzbetont, wenig Frucht. Etwas grün. Im Gaumen rustikal, kantig und unharmonisch. Eine Spur Lack (flüchtige Säure?) im Abgang. Vielleicht eine schwache Zwischenphase, denn von der Farbe her scheint dieser Wein noch nicht weit entwickelt. 

 

2016 06 montrose römerswil

Auch verschlossen, aber zweifellos auf gutem Weg befindet sich 1995 Montrose. Der zeigte sich in den letzten paar Jahren erstaunlich zugänglich. Jetzt macht er wohl für ein paar Jahre Pause. Defensives Bouquet, Leder, Stroh, darunter dunkle Beeren. Schöne Harmonie, gute länge aber reduktiv. Von seiner allerschönsten Seite präsentiert sich dafür 1996 Montrose. Als wolle er sich dafür bedanken, dass man mit ihm so geduldig war. Gern geschehen! Meine 96er Kiste ist immer noch zu (aber nicht mehr lange… Auch Cos’d Estournel und andere 96er müssen demnächst dran glauben). Offenes, röstiges Bouquet. Die Nase ist dem bombastischen 90er nicht unähnlich. Im Gaumen dicht, stoffig und super balanciert. In dieser ersten Trinkphase – schlicht grossartig!

Fünf Stunden dekantieren oder fünf Jahre warten. Das gilt für 2000 Montrose. Röstig, hitziges Bouquet. Kandis, Malz. Die blau- und schwarzbeerigen Aromen sind etwas unterstückt. Im Gaumen komprimiert, deftiges Tannin. Aktuell nicht so zugänglich, doch das enorme Jahrgangspotential lässt hoffen. Seit Jahren ein sehr schöner Wein ist 2001 Montrose. Auch heute überzeugte er wieder mit seiner jugendlichen, lakitschen Nase. Defensive Röstung. Viel frische Beeren, Orangeade, Leder und Tabak. Entwickelt sich harmonisch, ohne Eile. Tipp-topp! Als Tischwein diente eine imposante 2004 Montrose Imperial. Dunkles Purpur; viel Cassis, Brombeeren, breit ausladend. Breiter voluminöser Körper, aber schöne Tiefe und Länge. Ein stimmiger Wein, nach wie vor in seiner leckeren Fruchtphase.

 

1 Kommentar

  1. Veröffentlicht von Martens am 2. Februar 2016 um 18:12

    Ist doch ein seltsames Hobby.
    Man gibt hunderte von Euro für Wein aus, um dann solche beschriebenen Aromen im Mund zu haben?
    Das erinnert eher an eine Geschmacksverkostung einer Dschungelcampprüfung als an einen teuren und gereiften Wein 🙂
    Unterm Strich klingt das nach 80% Ausschuss und 20% anständigen Wein 🙂

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