Retrospektive: Château Mouton Rothschild

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Der Bericht über eine denkwürdige Vertikale Château Mouton Rothschild von 1950 – 2007. Einer der wichtigsten und berühmtesten Weine der Welt.

Viel zu erklären gibt es nicht mehr. Deshalb nur ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher. Bekanntlich wurde Mouton Rothschild 1855 bei der Chateau Klassifizierung übergangen und musste sich bis 1973 gedulden, um endlich vom damaligen Landwirtschaftsminister Jacques Chirac zum Premier Cru Classé empor gehoben zu werden. Obwohl es Aufzeichnungen bis ins 14. Jahrhundert zurück gibt, begann die eigentliche grosse, prägende Zeit von Mouton Rothschild mit dem legendären Baron Philippe de Rothschild, welcher die Geschicke des Weinguts ab 1922 leitete. Der 1902 geborene, ehemalige Autorennfahrer war ein Ur-Enkel von Baron Nathaniel de Rothschild. Dieser erwarb 1853 das Weingut als Château Brane Mouton und benannte es ins heutige Château Mouton-Rothschild“ um.

Baronne-Philippine-de-Rothschild-Baron-Philippe-de-Rothschild

Philippe de Rothschild platzierte Mouton-Rothschild durch strategisches Qualitätsstreben und innovative Marketingmaßnahmen ins internationale Wein-Luxussegment. Er galt als visionärer Unternehmer und starker Netzwerker, woraus einige Koorperationen entstanden, wie mit Robert Mondavi (Opus One), mit der Frescobaldi Familie in der Toscana oder in Chile mit Errazuriz.

Nach seinem Tod 1988 leitete die Tochter Philippine de Rothschild-Sereys bis 2014 die Geschicke der Baron Philippe de Rothschild S.A. (zu welcher nebst den Joint Vernure Beteiligungen auch die Pauillac Châteaux Clerc Milon und d’Armahilac gehören). 

Das ganz im Norden Pauillacs gelegene Weingut umfasst rund 80 Hektar Reblfäche (77% Cabernet Sauvignon, 12% Merlot, 9% Cabernet Franc und 2% Petit Verdot) Vom Erstwein kommen pro Jahr etwa 300’000 Flaschen auf den Markt. Daneben wird ein Zweitwein „Le Petit Mouton“ und ein Weisswein „Aile d’Argent“ (Semillon – Sauvignon Blanc) produziert. Die Kellereien von Mouton Rothschild mit dem dazugehörenden Museum sind ein Touristenmagnet und eines der meistbesuchten Weingüter im Bordeaux.Die Preise für Mouton Rothschild haben in den letzten Monaten wieder angezogen. Die aktuellen Jahrgänge 2015 und 2016 kosten rund 500 – 600 Franken. Besonderst tief ins Portemonaie greifen muss man beim 2000er, welcher kaum mehr unter 2000 Franken zu finden ist. Gesucht sind auch kleinere Jahrgänge wie 1991 – 1994, welche damals en primeur für 60 Franken zu haben waren, sind heute das Fünffache wert. Aufgrund der relativ hohen Produktionsmengen sind viele ältere Mouton Rothschild Jahrgänge auf dem Markt oder auf Auktionen zu finden. Insbesondere die Schweiz ist ein traditionell sehr starker Markt für den edlen Pauillac Premier mit den begehrten Sammleretiketten.

Der Begriff Retrospektive, wird oft in der Kunst verwendet. Ein Rückblick auf das Schaffen eines grossen Künstlers. Daher fand ich den Retrospektive auch bei Mouton Rothschild passend. Denn kein anderes Weingut versteht es Wein und Kunst dermassen stilvoll zu verbinden. Ueber Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten. Doch die jährlich individuell von berühmten Künstlern gestaltete Etikette entwickelte sich Mouton Rothschild mehr als andere Weine zum begehrten Sammelobjekt rund um den Globus. Die gesamte Kollektion findet man hier: „Painting for the Labels“.

Unsere Mouton Rothschild Retrospektive fand am 6. Januar 2017 als „Best Bottle“ im Restaurant Kreuz Emmen statt. Organisiert von André Kunz (Schweizerische Weinzeitung). Die Verkostung erfolgte offen.

1950 Mouton Rothschild

Wenig Aromatik, weder positiv noch negativ. Jute, Stroh und Erde. Lebkuchengewürz, Kandis. Ein penetranter Essigstich dominiert den Wein  nach zehn Minuten. Im Gaumen „leer“, wenig Leben. Sehr leicht und fragil. In allerallerletzter Phase. Nur noch für Etikettensammler akzeptabel.

72

vorbei

1960 Mouton Rothschild

Medizinal im Bouquet. Jod. Tabak, Tannenäste und Torf. Darunter süsse Vanillearomen. Im Gaumen noch ordentliche Struktur. Wenig Oxydation. Säure ist ganz in Ordnung. Überraschend gut.

88

vorbei

1964 Mouton Rothschild

Feine, süsse, nussige Nase. Pilz.  Im Gaumen hohl und metallisch. Grüner Cabernet. Wirkt kühl und uncharmant.

82

Vorbei

1975 Mouton Rothschild

Muffig, morbide Nase. Nasses Holz, Erde. Harte Gerbstoffe, kantig, anstrengend. Ein drahtiger (Stacheldraht) Mouton…  

78

vorbei

1962 Mouton Rothschild

Im Bouquet oxydiert. Im Gaumen wirkt er noch stoffig, breit aber definitiv vorbei. Gemäss erfahreneren Mitgeniesser, gibt es deutlich bessere 62er Moutons. Also vielleicht schlechte Flasche.

65?

vorbei

1959 Mouton Rothschild (US Re-Import)

Eukalyptus, Minze im Bouquet, Laub, Pilz, leicht „seifig“. Pinselreiniger, flüchtige Säure. Äussert problematische Nase… Gaumen elegant, erhaben. Zeigt Grösse und Länge. Die Grundaromatik passt zum Wein. Fehlerhafte Flasche? Fälschung? Wanderpokal?

-/-

 

1966 Mouton Rothschild

Kandis, Malz, Tabak und Leder. Nach wir vor schöne Röstung. Mild im Gaumen, feingliedrig. Hat sich recht gut gehalten und für den Jahrgang immer noch ordentlich in Form.

86

austr

1987 Mouton Rothschild (Magnum)

Offenes, nussiges Bouquet. Immer noch präsente Frucht. Wirkt für 87 recht dicht. Im Gaumen nicht ganz der Charme vom Bouquet. Tannine trocknen leicht aus. Wirkt im Abgang etwas muffig. Vielleicht leichter Kork.

88?

austr

1982 Mouton Rothschild

Mildes, defensives aber enorm edles Bouquet. Feine Gewürznoten, darunter immer noch dunkelbeerig. Ganz leicht Lacknote. Etwas Malz. Geschmeidig im Gaumen, elegante Struktur. Ganz leicht mehlige Tannine. Legt enorm zu im Glas. Nimmt jetzt Anlauf für die letzte Trinkphase. Bekommt jetzt minzigen Aromen, welche wir diesmal beim 59er vermisst haben.

97

tr – 2030

1983 Mouton Rothschild

Offenes, würziges Bouquet. Feine Holznoten, Malz und Torf. Geschliffen, elegant im Gaumen. Eine Art 82er light. Weniger Tiefgang aber die Aromen sind präsenter. Macht enorm Spass. Eine Top Flasche!

95

austr

1985 Mouton Rothschild

Offenes, würziges Bouquet. Röstaromen, Soja, etwas Schweiss. Sehr stimmig, genau wie erwartet. Im Gaumen wirkt er langsam gebrechlich. Aber immer noch ein elegant, feiner Mouton. Wurde am Tisch als fehlerhafte Flasche bezeichnet – ich kann mit ihm gut leben so.

92

austr

1986 Mouton Rothschild

10 Stunden dekantiert. Jugendlich, dunkelbeeriges Bouquet. Stoffig, offen. Wirkt eher zehn- als dreissigjährig. Süsse Kandis, Larkitzaromen. Einfach nach wie vor extrem schwieriger Zugang. Gross, ja fast gewaltig. Trinkspass hält sich in Grenzen. Im Gaumen trotzig, tanninbehangen. Enorm konzentriertes Cabernet Monster.

97+

tr – 2040

1988 Mouton Rothschild

Süsses, reifes Bouquet. Zedern, Leder, Stroh und dazu viel Kräuter. Zugänglich im Gaumen, eleganter Auftakt. Hat von seiner 88er Härte weiter abgebaut, wirkt immer noch etwas kühl. Ähnelt in der heutigen Form seinem eigenen 83er.

94

tr – 2035

1989 Mouton Rothschild

Üppig, voluminöses Bouquet. Reife, süsse blau- und schwarzbeerige Aromen. Dazu Himbeeren. Viel Röstaromen. Kaffee, Mocca. Hitzig. Im Gaumen wunderbar ausgewogen, elegant. Nicht ganz den gewünschten Tiefgang aber ein enormer Genusswein!

92

tr – 2030

1990 Mouton Rothschild

Süsse, reife Nase. Zarte Holzbegleitung. Malz, Bittermandeln und Schoko. Kommt enorm schwungvoll daher. Zeigt Länge und Tiefgang. Jetzt in phantastischer Trinkreife.  

95

tr – 2025

1994 Mouton Rothschild

Defensive Nase. Holzbetont, wenig Frucht. Leichte Minzenoten. Im Gamen von der Aromatik her reif, doch es spielen noch leicht grüne Gerbstoffe mit. Trocknet aus. Etwas uninspiriert. Vielleicht unterschätze ich ihn. André Kunz von der Schweizerischen Weinzeitung meint, dass sich der 88er in dieser Phase sehr ähnlich präsentiert hat. Also Hoffnung bleibt…

87

tr – 2030

1995 Mouton Rothschild

Offenes, barriquebetontes Bouquet. Klassische Mouton Röstung. Kaffee, Mocca, Teebaumöl. „Taucht“ im ersten Eindruck ein wenig. Da aktuell wenig Frucht. Zeigt Kraft und Potenzial, aber alles in kantig, kratziger Form. Wird sich klassisch und gradlinig entwickeln. Unbedingt warten.

94+

tr – 2040

1996 Mouton Rothschild

Extrovertiertes, barriquedominantes Bouquet. Creme Cassis, Mocca, Espresso, Gianduja. Tannenäste, Feuerstein und Russ. Es kommt immer mehr Eukalyptus zum Vorschein. Grossartig strukturiert, enorm schön balanciert. Das geht jetzt Richtung 82 von der Aromatik her. Die Gerbstoffe sind extrem schön integriert. Noch nie so gut im Glas wie heute! Das ist ein sensationeller Mouton in jugendlicher Topform! Seit zehn Jahren schreibe ich immer «nachkaufen». Jetzt ist es zu spät… Kompliment, wer ihn im Keller hat – freut euch!

98

tr – 2035

1998 Mouton Rothschild

Edle, dunkelbeeriges Bouquet. Viel Mocca, Kaffee und Toast. Cassis und Brombeeren im Hintergrund. Kandissüsse, charmant verlockende Nase. Im Gaumen eine Mischung zwischen 95 und 96, scheint noch konzentrierter zu sein. Braucht viel Zeit. 

95+

2025 – 45

2000 Mouton Rothschild

Konzentriertes, schwarzbeeriges Bouquet. Frucht, Holz und Russ. harmonieren perfekt. Mocca, Kandis, Marroni, Bittermandeln. Konzentration mit dermassen viel Fülle. Die erste Geige spielt im Moment im Bouquet. Im Gaumen beginnt er sich zu verschliessen. Obwohl er dermassen offensiv daher kommt, braucht er Zeit. Idealerweise mindestens weitere zehn Jahr. Aber wer kann schon widerstehen bei diesem betörenden Charme?

99+

tr – 2040

2002 Mouton Rothschild

Defensives, leicht verschlossenes Bouquet. Darunter süsse, laktisch rot- und schwarzbeerige Aromen. Mittelschwer, elegant im Gaumen. Kräftige Gerbstoffe, intensive Säure. Nicht der Tiefgang der ganz grossen Jahre, aber trotzdem für das eher harsche Jahr sehr vielversprechend. 

93+

2020 – 35

2003 Mouton Rothschild

Röstig, hitziges Bouquet. Krokant, Bittermandeln und Vanille. Stoffig im Gaumen, reife Aromen. Kommt jetzt schon sehr geschliffen daher. Zugänglich, opulent. Leicht bittere Tannine. Ob er weiter reifen muss? Wohl kaum…

94

tr – 2025

2004 Mouton Rothschild

Kork

 

 

2007 Mouton Rothschild

Laktisch, primärfruchtig. Viel Röstaromen, völlig Barrique dominiert. Da ist dermassen viel getoastetes Holz dabei, dass er fast von mehr von einem Schreiner als von einem Winzer gemacht wurde. Die Substanz ist bescheiden.

88

tr – 2025

 

 

6 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Lukas Schneider (via Facebook) am 21. Januar 2018 um 19:16

    Ich durfte mich eben bei René durch die „Ungeraden“ aus den 80ern und 90ern trinken. Ich bin ja ein bekennender Fan des 85er, und der hat auch dieses Mal abgeliefert. Eine Nasendroge sondergleichen. Allerdings hab ich beim Gaumen erstmals ein Minifragezeichen gesetzt; da scheint er mir langsam auszudünnen. 83 und 89 wie erwartet gross, beide mit Reserven (wobei 89 da die Nase ein wenig vorne hat). 87 überraschte und machte einfach viel Trinkspass, auch wenn das jetzt nicht superdicht daherkam. Positiv auch 91 und 93, die beide zeigten, dass grosse Weine auch in kleineren Jahren was zu bieten haben (die Preisdiskussion jetzt mal ausgeblendet). 95 wie erwartet gross, 97 besser als auch schon (aber eigentlich halt schon weder Bordeaux noch Mouton), 99 mit einer gewissen Rustikalität und nicht so feingeschliffen, aber wen kümmerts, das trinkt sich so gut weg ?.

  2. Veröffentlicht von Adrian van Velsen (via Facebook) am 21. Januar 2018 um 19:14

    Danke für die Notizen! Bin mit vielen Deiner Eindrücke einig. So 75, 86, 88, 89 und 96.. 02 sah ich eher höher, 90 war für mich dagegen ein deutlich schwächeres Mouton Erlebnis (habt ihr da Glück gehabt?).

    • Veröffentlicht von Sebastian Schwander am 21. Januar 2018 um 19:17

      Danke Adrian. Der 96er ist phänomenal und wirft keine Fragen auf, wie oftmals 86 oder 90. Er ist eine Art 82er in seiner Frühform.

  3. Veröffentlicht von Yves Beck (via Facebook) am 21. Januar 2018 um 19:13

    1987 : seit 20 Jahren wird der Wein folgendermaße beschrieben : jetzt muss man ihn trinken. Ist es nach wie vor so, Sebastian Schwander?

    • Veröffentlicht von Sebastian Schwander am 21. Januar 2018 um 19:18

      Natürlich, obwohl die Magnum leicht korkte, zeigt der Schweizer Mouton Durchhaltewille…

  4. Veröffentlicht von Olaf Schilling (via Facebook) am 21. Januar 2018 um 19:12

    Guter Bericht und realistische Bewertungen.

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