Update: Chateau Figeac 1955 – 2015

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Ich mag diesen Linken im rechten Lager. Diesen charaktervollen und eigenwilligen St. Emilion. Eine Zusammenstellungen von Bewertungen aus zwei grossen Proben im Mai 2019 und April 2021.

Chateau Figeac befindet sich im Nordwesten der Appellation St. Emilion an der Grenze zu Pomerol, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Cheval Blanc. Im Gegensatz zu den meisten St. Emilion Weingütern dominiert auf Figeac nicht Merlot (zirka 30%). Auf den eher kieshaltigen Böden gedeiht Cabernet Sauvignon (zirka 35%) und Cabernet Franc (zirka 35%) deutlich besser. Dieser „exotische“ Blend war das Erfolgsrezept von Thierry Manoncourt, der Figeac seit den 50er Jahren massgeblich und nachhaltig geprägt hat. Auch nach Thierry’s Tod 2010 blieb das Chateau weiterhin in Familienbesitzt der Monocourts.

Der ehemalige Figeac Geschäftsführer Eric D’Aramon lässt uns im Millésima Video hinter die Kulissen des ehrwürdigen Chateau blicken:

Chateau Figeac ist als Premier Grand Cru Classé B eingestuft und produziert jährlich rund 250’000 Flaschen. Nebst dem Premium Wein (aktuelle Jahrgänge kosten zirka 150 – 200 Franken), wird ein Zweitwein „Petit-Figeac“ zu 30 – 40 Franken abgefüllt.

Die Bewertungen stammen aus einer Probe vom Frühling 2019 im Zürcher Smith & de Luma (organisiert und durchgeführt von Jean Pierre Monsch), sowie aus einem „Eschenbacher Corona Waldspaziergang“ im April 2021.

1955 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

93

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April 2021: Erdig, würziger Figeac mit sehr schönem Bouquet nach Nuss, Pflaumen, Russ, Nelken. Alles sehr „gesunde“, reife Aromen. Entwickelt sich sogar noch kurz im Glas. Zeigt erstaunliche Substanz fürs Alter. Süsser, eleganter Abgang. Super Flasche. Perfekt gelagert.

Figeac 1955 1964 1966 (z.T. aus frisch geöffneten OHK….)

1959 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

93

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Mai 2019: Süsses, droppsiges, Aroma. Immer noch Cassisresten, Himbeeren und Kräuter. Im Gaumen etwas dumpf, würzig und aromatisch nicht die Brillanz des Bouquets, aber immer noch ein sehr schönes Altweinerlebnis. Erinnert mehr an einen reifen Rhone Wein als an Bordeaux. 92

April 2021 (3/8 Fl): Aus dem Schöppli, spontan geöffnet, sogar noch einen Tick besser als vor einem Jahr aus der Normalflasche. Malz, Cassis, Eukalyptus und viele Kräuter. Dunkle Schokolade. Süsser und lang im Abgang. 94

1964 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

90

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April 2021: Röstig, recht voluminöses Bouquet. Teer, Schwarztee, Kräuter und dunkle Schokolade. Butterweicher, leicht opulenter, saftiger Körper. Mittlere Intensität, sehr gut gealtert.

1966 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

86

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April 2021: Nussig, würziges Bouquet. Etwas Vanille, viel Malz, Tabak und Leder. Nase ist attraktiver als der etwas gezerrte Körper. Im Abgang eine Mischung von grünen und etwas metallischen Noten. Trocknet aus. Jahrgangsbedingte Desharmonie.

1970 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

93

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Mai 2019: Deutliche Brauntöne. Röstiges Bouquet, Waldboden, Malz. Wenig Frucht. Es scheint, als ob die Barriquenoten über alle die Jahre Oberhand behalten haben. Im Gaumen angenehm reif, ganz leicht morbid. Endet filigran, mit reifem Rosinen Touch und Birnel. Schön abgerundet. Wunderbar gereift.

1975 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

90

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Mai 2019: Helles Granat, leicht braune Ränder. Süsse Malznote, Pfeffer, Kräuter, Rosinen, Himbeeren, Stroh, Röstaromen. Im Gaumen reif, mit nach wie vor präsenter Tannine und angenehme Säure. Geschmeidig, langer Abgang. Rustikal und trotzdem elegant. Gefällt mir sehr gut. 90

April 2021 (Magnum): Anfänglich sehr unsauber. Korkverdacht. Aber besserte sich nach 30 Minuten. Danach gleiche Eindrücke wie bei der Normalflasche im Mai 2019 mit identischer Wertung. Eine Stunde dekantieren. 90

1975 Figeac Magnum (Inhalt 1.48 Liter…)

1982 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

87?

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Mai 2019: Leicht staubige, dumpfe Nase. Darunter diese faszinierende Süsse, welche an den 59er oder 70er erinnert. Im Gaumen macht er eine kurze Begeisterungsphase, wirkt aber dumpf und muffig. Am Schluss wirkt er karg, rustikal und austrocknend. Eigenwilliger, klassischer Figeac, der Sorte 86, 87, oder 88 „Hat der Kork oder ist es ein Figeac?“. Da ich den 82er aber ganz anderes kenne (95/100), war dies keine optimale Flasche

1983 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

88

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April 2021: Röstiges Bouquet. Kandierte Früchte, Kräuter, Leder. Ein typisches Beispiel für einen rustikalen, kernigen Figeac aus den 80er Jahren. Recht säurebetont, vielleicht etwas TCA. Reif und trotzdem noch leicht grün.

1986 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

ohne Bewertung


April 2021 (3/8 Fl): Komplett oxydierte unsaubere Flasche.

1989 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

93

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Mai 2019: Reife Aromen. Rosinig, feine Holznote, Kalk, Torf und Jute. Frisch im Gaumen. Leichte Malznote, aber noch wie vor spürbare Frucht. In einer tollen Phase zwischen sekundären zu tertiären Aromen. Old Fashion Bordeaux. Klassisch und herrlich rustikal für 89.

1990 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

95?

trinken – 2025


Mai 2019: Wunderbar, reife Nase. Gewürze, nussig, Pflaumen, Jute. Leichte Schweissnote. Zupackend, kraftvoll im Gaumen. Wirkt deutlich junger als im Bouquet. Stoffig, intensiv mit beeindruckender Länge. Ein komplexer Figeac, der nach wie vor jede Suche wert ist. Top Flasche. Spätere Begegnungen sind eher zweifelhalft (siehe unten) 95

Dezember 2020: Süsses Bouquet. Pflaumen, Tabak und etwas Himbeeren. Ausgewogen, elegant im Gaumen. Super feine Gerbstoffe. Je länger im Glas wird er etwas unsauber. Mittlere Länge. Immer noch ein gut zu trinkender Wein. Orientiert sich eher an die oftmals unsauberen 80er Jahr als an der gloriosen Neuzeit. Da ist qualitativ viel passiert auf Figeac. Ich bin zuversichtlich, dass es 2022 zum St. Emilion Premier A reichen wird? Bedeutet kaufen, bevor es abgeht…. 89 (evt. keine optimale Flasche)

Juni 2021: Frisches Bouquet. Pflaumen, Kräuter, Gras, Schwarztee. Im Gaumen „süffig“ bei mässiger Konzentration. Ich gab ihm 92 Punkte, womit ich genau zwischen den beiden vorherigen Erlebnissen feststecke…. Auf zur nächsten 90er Figeac….

1995 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

95

trinken – 2035


Mai 2019: Attraktive, blau- und schwarzbeerige Nase. Verlockende Röstung, Der Wein wirkt sehr gehaltvoll, genialer Tiefgang und beeindruckende Länge. Dies spürt man, obwohl er in einer eher verschlossenen Phase befindet. Die Süsse der alten Jahrgänge hat er noch nicht, dafür noch erstaunliche primäre Fruchtaromen. Ein ganz langsam reifender Figeac. Den hätte ich nie so gut erwartet.

1998 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

96

trinken – 2035


Juli 2018: Wunderbare, reife Nase. Blau- und schwarbeerig. Feine Malz- und Tabaknoten und viel Kräuter. Im Gaumen fein, elegant und mit toller Länge ausgestattet. Der 98er Figeac befand sich lange in einer reduktiven Phase und ich glaube, dass in dieser Zeit viele Flaschen geopfert wurden auf der Suche nach der spektakulären, opulenten Jungweinaromatik. Doch dies ist längst vorbei. Er ist jetzt erwachen. 96

Mai 2019: Süsses, reifes Bouquet. Pflaumen, Cassis, Lakritze, Minze, Hollunder, Brotkruste und Kaffee. Multidimensional im Gaumen. Kommt jetzt in seine wahre Trinkreife. Er war früher verlockend zugänglich, hat sich verschlossen und kommt jetzt in seiner reifen Pracht daher. Momentan liefert er mit dem 2000er ein Kopf an Kopf Rennen. Sensationell! 96

Juni 2021: Voluminöse, dunkelbeerige Nase. Pflaumen, Cassis, Malz und Leder. Im Gaumen weniger „laut“ als in seiner ungestüm jugendlicher Phase. 96

2000 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

97+

trinken – 2035


Mai 2019: Zurückhaltendes, süsses, nobles Bouquet. Öffnet sich mit mehr Luft spekakulär. Blau- und dunkelbeerig. Malz, Leder und Tabak. Mittelschwer, harmonisch im Gaumen. Ausgewogen, perfekt balanciert. Er vereint die Kraft und die Finessen eines ganz grossen Jahrgangs. Ein Traum Figeac, der ganz grossen Sorte. 96

März 2020: Mildes, defensives Bouquet. Frucht ist im Hintergrund. Röstaromen spielen die erste Geige. Dazu erdige Aromen, Kartoffeln und Tabak. Im Gaumen sensationell. Da kommt der Merlot Charmes, der die Cabernet Power richtig ummantelt. Komplex, dicht und mit beeindruckender Länge und die Gerbstoffe sind super integriert. Ein prachtvoller Figeac, einer der allerbesten Jahrgänge. 97+

April 2021: Hoch attraktive, komplexe Nase. Frucht und Würze harmoniert super, dazu etwas Kandis und erste leicht erdige Aromen. Im Gaumen das 2000er Power Gesamtpaket mit einem fulminanten Abgang. 97+

2001 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

91+

trinken – 2035


Mai 2019: Röstige Nase. Bittermandeln, Mocca, Brotkruste und leicht florale Noten. Kommt sehr edel daher. Im Gaumen elegant, bei mittlerem Tiefgang. Nach wie vor jung, wilde Tannine, kernig, trocken. Jahrgangstypisch mit Potenzial nach oben.

April 2021: Identische Eindrücke und Bewertung wie im Mai 2019. Recht jugendlich, süffig etwas grünen Tanninen. Keine Eile. Mittleres Potenzial.

2002 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

89

trinken – 2035


April 2021: Recht verschlossen, distanziert. Pflaumen, Leder, Torf im Bouquet. Kernig im Gaumen, hohe Säure , mässige Substanz. Kann er sich noch verfeinern? Ist halt ein bockiger 2002er…

2003 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

92

trinken – 2030


Mai 2019: Mildes, defensives Bouquet. Pflaumen, Teer, Streichholz, Gewürze, leicht florale Noten. Es braucht Zeit um den nötigen Zugang zu finden. Öffnet sich langsam. Im Gaumen wild, relativ hart und Reife verlangend. Untypisch für die sonst so heissen, geschmeidigen 2003er. Figeac eben! 89

April 2021: Deutlich besser als im Mai 2019. So hätte ich ihn erwartet. Mit so viel Cabernet Sauvignon, sollte man die heissen Jahrgänge besser meistern als die „Merlot Kontrahenten“. Ein gehaltvoller Figeac, früh trinkreif. 92

2005 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

90+

2025 – 40


Mai 2019: Reife Merlot Nase. Pflaumen, leicht brandig. Mittlere Intensität. Wirkt etwas kühl, zurückhaltend, gar dumpf. Es fehlt an Frucht und Fülle. Unattraktive Rumpelphase. Warten und hoffen.

2006 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

91+

2025 – 40


Mai 2019: Zurückhaltendes Bouquet. Recht verschlossen. Ein Mix von dunklen Aromen aber auch Himbeeren und Griottekirschen. Im Gaumen kommt viel Stoff und Druck daher. Enorm jung, vielversprechend. Der Holzeinsatz ist massiv, ob er das zu verarbeiten mag? Braucht viel Zeit.

2008 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

93+

2025 – 40


Mai 2019: Je ein Drittel Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot. Laktisch, cremige Nase. Dezente Röstung mit Krokant, Vanille und Gewürzen. Schöne ausgereifte Frucht. Im Gaumen wirkt er kantig, mit aggressiven Gerbstoffen. Trocknet aus im Abgang und wirkt alles in allem aktuell eher unharmonisch. Schwierig zu verstehen, da er eher universell daherkommt. Potenzial ist da. Figeac Typizität noch nicht. Warten.

2011 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

91+

trinken – 2035


März 2021: Offenes Bouquet mit guter Frucht und erdigen Aromen. Gewürze, Torf und Tabak. Die Barriqueröstung ist aktuell etwas dominant (Vanille, Brotkruste, Caramel). Im Gaumen angenehm mit mittlerer Konzentration. Klar, auch hier sind grüne Aromen spürbar, doch ein gewisser Trinkspass wird sich relativ früh einstellen.

2015 Chateau Figeac, Saint-Emilion Grand Cru

98+

2030 – 50


Mai 2019: 43% Cabernet Sauvignon, 29% Cabernet Franc, 28% Merlot. Voluminöse Fruchtbombe. Dunkle Kirschen, Cassis, Brombeeren, und frisches Holz. Laktisch, cremig mit Lakritze. Das noble, begleitende Barrique ist sehr gut integriert und stimmig. Zupackend, intensiv im Gaumen. Mittlere Länge aber massiver Tiefgang. Baut auf Kraft und Eleganz. Sehr gross! Während einige Jahrgänge aus den 00er Jahren für mich ein Holzüberfluss besitzen, passt hier alles..

1 Kommentar

  1. Veröffentlicht von 15 Jahrgänge Château Figeac. – vvWine am 23. Mai 2019 um 15:39

    […] von zwölf anderen Weinfreaks (darunter unser Redaktor Simon Maissen und Sebastian Schwander der hier ebenfalls über die Verkostung berichtet hat – sehr lesenswert!) einer Figeac-Vertikalen beizuwohnen, die unser Weinfreund Jean-Pierre […]

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