Die Sommerhitze ist da. Experten raten, viel zu trinken.

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Experten raten, während diesen Hitzetagen viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Idealerweise lauwarme Getränke. Was das mit unserer BBB (Balm-Best-Bottle) zu tun hat, lesen Sie hier.

„Darf man eigentlich 30 Grad Wäsche bei 40 Grad an die Leine hängen?“, fragte ich meine Frau aus dem schattigen Liegestuhl heraus. Sie meinte, ob ich nichts Besseres zu tun hätte an diesem Freitagabend, als ihre schweisstreibende Hausarbeit zu kommentieren. Doch hatte ich! Die letzte grosse Best Bottle vor der Sommerpause stand an. Die Probe bei Beat Stofer in der Balm Meggen hat schon ein paar Jahre Tradition. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir uns letztes Jahr beim Apéro über den miesen Sommer geärgert hatten…. Dieses Jahr sind die Vorzeichen etwas anders. Schon auf der Hinfahrt nach Meggen, erklärte der Experte im Radio, dass es wichtig sei, an so heissen Tagen viel zu trinken. Idealerweise nicht gekühlte sondern lauwarme Getränke zu sich nehmen. Die Temperatur sollte so sein, dass es sich angenehm anfühlt auf der Haut, so warm etwa, wie man Milch für Kleinkinder macht. Auf Milch kann ich problemlos verzichten heute Abend, aber viel trinken passt zu unserer Balm-Best-Bottle. Allerdings leider auch der Expertentipp vom Radio, lauwarme Getränke vorzuziehen. 

Es stellte sich als extrem schwierig heraus, die Weine in der gewünschten Temperatur zu geniessen. Die Klimaanlage gab aufgrund der Hitze (wozu sind Klimaanlangen eigentlich da…?) zeitweise ihren Geist auf, und die Weine erwärmten sich in den Gläsern innert Minuten auf über 20 Grad. Trotzdem entwickelte sich ein genüsslicher, unterhaltsamer Abend unter schwitzenden Weinfreunden und heissen Flaschen. Alle Weine wurden blind in Dreierserien verkostet und bewertet. Aufgrund der witterungsbedingten äusseren Umstände möchte ich die Rotweine in drei Kategorien unterteilen. Die Hitzeopfer. Die Hitzebeständigen. Die Sonnenanbeter.

Doch vorher gönnten wir uns noch zwei Kalifornischen Chardonnays. Einerseits der massive, bullige Alpha Omega Chardonnay. Mit viel Holz, etwas ranziger Butter, Fenchel und Gewürzen im Bouquet. Im Gaumen schwer und ölig. Der deutlich frischere und mit der nötigen Säure ausgestattete Peter Michael Winery Belle Cote Chardonnay gefiel mir um einiges besser. Zitrusfrüchte, Nuss, Vanille, Brotkruste und harmonisch, elegant im Körper.

Dann also zu den Rotweinen. Die exakte Reihenfolge der Weine, Serienzusammenstellung und Bewertung entnehmen Sie unten.

Die Hitzeopfer:

Klar unter seinem Wert schlug sich Chateau Lynch-Bages. Es schien, als ob die Flasche nicht nur an diesem Abend zu heiss hatte, sondern bereits seit Jahren an Hitzestau litt. Nur so erklärt sich die sehr reifen Aromen, Leder, Nuss, Torf, Tabak. Es fehlte die erfrischende Lynch Bages Fülle. Normale Flaschen liegen immer klar auf 19/20 Kurs. Ob sich Chateau L’Eglise-Clinet bei kühleren Temperaturen besser präsentiert hätte, bezweifle ich. Sehr reifes, pflaumiges Bouquet. Erdig, leicht brandig. Im Gaumen kommt nicht mehr viel. Bereits auf dem absteigenden Ast. Enttäuschend für das grosse Jahr. Mindestens auf 19/20 bewerte ich unter normalen Umständen Chateau Gruaud-Larose. Das hat der Wein immerhin im Gaumen erreicht. Dort spürt man die Grösse, das Volumen und die Tiefe dieses inzwischen sehr gesuchten St. Julien. Leider machte die muffig, korkige Nase einen Strich durch die Rechnung.

Alte Leute leiden besonders unter der Bruthitze. Das gilt euch bei den Weinen. Insbesondere dem Chateau L’Arrosee traf dieses Schicksal. Überreifes, nussig, würziges Aroma. Orangeade, Rosinen, Feigen und Kandis. Im Gaumen etwas Port und Mal. Zwar noch lebendig, aber Nahe am Hitzekollaps.

Völlig unter dem Radar durch ging bei mir Penfolds Grange. Einer der grössten Jahrgänge schlechthin und anlässlich der grossen Grange Vertikale im kühlen Keller des Parkhotels Weggis mit 19.5/20 bewertet. Trotz der Wärme zeigt er klare exotische Shiraz Aromen und war bei Gregors Geografie Quiz schnell als südlichster Wein definiert. Nicht so klar mit den Breiten- und Längengraden schien die Sache bei Sonoma County und Bolgheri, was zu heissen Diskussionen über den Verlauf des Äquators und des Null-Meridians führte. Mir war das völlig egal, da es weder in Greenwich noch in Ecuador ordentliche Weine gibt. Wo waren wir? 1998 Grange. Die Hitze schlug ihn. Wirkte alkoholisch, süss und breit. Viel realistischer sind meine Bewertungen von 2013. Auch bei Domaine Auguste Clape Cornas, glaube ich nicht, dass der Wein schon so reif sein darf. Dörrfrüchte, Rosinen, Rauchfleisch und Leder. Im Gaumen recht säurebetont und wenig Entwicklung. Schizophrener Wein, der als letzter des Abends, wohl zu lange auf seinen Auftritt warten musste.

Die Hitzebeständigen:

Darunter verstehe ich jene Flaschen, welche ich auf bei dieser Affenhitze tierisch gut fand, und gleich erlebte wie bei normalen Temperaturen. Zu denen gehörten viele Bordeaux. Nicht, dass sie jetzt glauben die ideale Trinktemperatur bei den edlen Franzosen liege grundsätzlich bei 22 Grad. Nein, das ist einfach ein Phänomen von Best Bottles im Allgemeinen, dass immer am meisten Bordeaux Flaschen eingeliefert werden.

Völlig hitzeresistent, da er selbst in einem heissen Jahr geerntet wurde, zeigte sich 1989 Mouton Rothschild. Offenes, röstiges Bouquet, Toast und Bittermandeln. Viel Würze, Cassis, Pflaumen, Tabak. Gutes Volumen, mittlerer Tiefgang. Bereitet in dieser reifen Trinkphase enorm Spass. Sehr schön gefiel mir aus der 1989er Startserie auch 1989 Cos d’Estournel. An der grossen Vertikale von Anfang Jahr beschrieb ich ihn als „Schmuse Cos“, und so kam er auch heute rüber. Schwarzbeerig, Mocca, Eukalyptus. Etwa Napa Affinität. Im Gaumen geschmeidig weich. Noch voller Kraft strotzt 1990 Grand Puy Lacoste (Publikumswertung Platz 2). Dichtes Granat; Offenes exotisches Bouquet. Viel dunkle Beeren, Zedern, Tabak und Popcorn. Rustikal, stoffig im Gaumen und mit beeindruckender Länge. Da freue ich mich auf das Grand Puy Lacoste Dinner im Herbst. Kommen Sie auch?

Ein Wein für sich ist Chateau de Beaucastel. Reife animalische Aromen. Leder, Erde, Früchtekompott, Jute, Kalk und Barrique Aromen. Im Gaumen kompakt und stoffig. Die Aromen sind eng ineinander verwoben. Ein American Beauty Klassiker der ersten Stunde ist Peter Michael Winery Les Pavots . Auch heute überzeugt der Blend (70% Cabernet Sauvignon, 16% Cabernet Franc und 14% Merlot) aus dem Knights Valley mit dichter schwarzbeeriger Nase, Kirschen, Tabak etwas grüne Peperoni. Mineralisch im Gaumen, gut stützende Säure und eine tolle Länge. Hält sich weitere zehn Jahre auf diesem Niveau. Auch 2001 Ornellaia scheute die Hitze nicht und zeigt sich in gewohnter extrovertierter, dunkelbeeriger Art. Lakritze, Kirschen und toll integriertem Holz. Nach seiner fulminanten Startphase verschloss sich dieser 2001er lange Zeit. Jetzt ist er zweifellos in Trinkreife, aber ich glaube er kann noch mehr „Babyspeck“ abbauen. Kann in zwei, drei Jahren die 19/20 wieder erreichen. Warten würde ich noch zehn Jahre bei 2006 Foley Claret. Klar, der dichte, intensive Wein bereitet jetzt schon viel Freude. Seine extrovertiertes Bouquet von Brombeeren, Cassis, Eukalyptus und Leder wirkt verlockend. Im Gaumen allerdings noch etwas „universal – international“. Da kommt noch mehr.

Auf gutem Weg und permanent mit dieser Bewertung erlebte ich 1998 Mouton Rothschild. Röstige Nase, Mineralisich, Kokos, Vanille und Kandis. Kirschen, Cassis im Hintergrund. Kompakt im Gaumen, zeigt Tiefe. Nach wie vor stattliche Tannine und Säure. Der Wein ist immer noch jung und zeigt, dass grosse 98 Medoc Geduld brauchen. Potenzial für 19/20, womit er dann zu dem besten Mouton der Neunzigerjahre, neben dem 1996er werden kann.

Die Sonnenanbeter:

Als ob sie genau auf diesen heissen Freitagabend gewartet hätten, um sich in ihrer vollen Pracht zu präsentieren! 2006 Weingut Gerhard Markowitsch ‚M1‘. Frische blau- und rotbeerige Grundaromatik zeigt der attraktive Merlot/Zweigelt Blend. Untermalt von Himbeeren, Kirschen und Pflaumen. Grossartig „Frucht getrieben“, dazu geschmeidig eingebundene Barrique Nuancen. Feuerstein und Kalk. Super Tiefgang und Länge. Ein seltenes Prachtexemplar eines wirklich grossen österreichischen Rotweins! Ich bin entzückt! In Topform, und im Gegensatz zur grossen Probe im Pecavi sogar noch um einen (Hitze)Punkt höher bewertet, zeigte sich 1998 Sassicaia. Es lohnt sich einfach zu warten. Rubin; Cassis, Toast, Kokos und Kräuter. Ein grosser, fülliger Sassicaia. Intensiv und Lang. Geht erst jetzt Richtung Trinkreife. Pech für alle, die ihn zu früh abgeschrieben haben…

Ist Ihnen aufgrund der vielen Degustationsnotizen langsam heiss? Hier kommt Abkühlung. Sagt der eine Schneemann zum anderen: „Du schuldest mit noch 100 Franken“. Sagt der andere: „Warte noch bis Juli, dann bin ich wieder flüssig.“ Naja, weiter geht’s.

Wieder Bordeaux Traumstoff vom Feinsten. Im Moment in einer ersten Trinkphase (zwei Stunden dekantieren) befindet sich Pichon Longueville Comtesse de Lalande (Publikumswertung Platz 3). Ich habe in den letzten Wochen immer wieder ins 2000er Regal gegriffen. Der Jahrgang ist durchwegs gross. Reift harmonisch und bringt eine Fülle und Eleganz zu Tage wie sie nur in aussergewöhnlichen Jahren möglich ist. Dunkelbeerige Grundaromatik, Ovo, Malz, Stroh und Leder. Enorm vital, kräftig im Gaumen. Explodiert richtig im Glas. Geht voll in die Tiefe. Vielleicht wäre „Bordeaux 2000“ ja mal ein Thema für kommende sommerliche Balm-Best-Bottles? Es muss ja nicht gerade bei 36 Grad sein. Der Jahrgang ist so oder so „hot“! Ein weiterer Beweis gefälligst: 2000 Le Tertre-Roteboeuf. Exotisch, einzigartig. Blau- und rotbeerig. Etwas Rauch, Pflaumen, Pfeffer und Feigen. Präzise, edle Holznoten (Mocca, Espresso). Super elegant balanciert. Die Aromen schweben fast tänzerisch durch diesen bezaubernden St. Emilion. Praktisch die gleiche Beschreibung trifft auch auf 1998 Le Tertre-Roteboeuf zu. Der Jahrgang mag möglicherweise an der Rive droite noch grösser sein, aber ich habe das Gefühl, dass sie schneller reifen als die 2000er. Die Aromatik ist ähnlich wie beim 2000er, aber die „Merlot Molligkeit“ ist weiter abgebaut und erste tertiäre, erdige Aromen begleiten den Wein in seinen enorm langen Abgang. Ein St. Emilion Meisterwerk!

Bezaubernd erlebte ich 2001 Lafite Rothschild. Offene, jugendliche Nase. Cassis, Pflaumen, dunkle Schokolade, etwas Zedern, Kandis. Fulminanter Auftakt, druckvoll und trotzdem seidenfein, elegant strukturiert. Die Säure/Tannine versprechen weitere positive Entwicklung für ein Jahrzehnt. Eine Perle aus einem nach wie vor unterschätzten Jahrgangs. Ich gebe zu. Mein Kistchen 2001 Lafite hat den Weg nach China schon vor mehreren Jahren angetreten. Umso schöner dann die Überraschung, wenn dieser tolle Wein trotzdem noch auf einer Best-Bottle geöffnet wird. Herzlichen Dank, Thomas!

Ein genialer Wein, bei jeder Temperatur, und verdienter Publikumssieger der diesjährigen Balm-Best-Bottle ist 1990 Leoville Poyferre. Reife, klare St. Julien Aromatik. Defensiv schwarzbeerig, Tabak, Zedern und Leder. Dazu etwas Minze und Malz. Im Gaumen füllig, enorm harmonisch, mittelschwer. In seiner Art absolut stimmig. Holz alles aus dem grossen Jahr heraus und stellt einige Premiers locker in den Schatten.

Einen Dank gebührt den beiden Organisatoren der diesjährigen BBB für ihre schweisstreibende Arbeit. Gregor Biland und Bruno Leisibach. Und zusätzlich noch herzliche Gratulation, Leisi, für die Best-Bottle! Leovillle Poyferré 1990. Und auch allen einen weiterhin heissen Sommer! 

 

A1) USA 2009 Alpha Omega Chardonnay, Napa Valley  16/20  austrinken
A2) USA 2008 Peter Michael Winery Belle Cote Chardonnay, Sonoma County 18.5/20 trinken – 2018
B1) F 1989 Chateau Lynch-Bages, Pauillac 17.5/20? trinken  – 2020
B2) F 1989 Chateau Mouton Rothschild, Pauillac 18.5/20 trinken – 2022
B3) F 1989 Chateau Cos d’Estournel, Saint-Estephe 18/20 austrinken
C1) F 1990 Chateau Leoville Poyferre, Saint-Julien 19.5/20 trinken – 2020
C2) F 1990 Chateau L’Eglise-Clinet, Pomerol 17/20 austrinken
C3) F 1990 Chateau Grand-Puy-Lacoste, Pauillac 18.5/20 trinken – 2022
D1) F  1982 Chateau Gruaud-Larose, Saint-Julien  18/20? austrinken
D2) F 1961 Chateau L’Arrosee, Saint-Emilion 16/20 vorbei
D3) F 1989 Chateau de Beaucastel Chateauneuf-du-Pape 18.5/20 austrinken
E1) I 1998 Tenuta San Guido Sassicaia Bolgheri 19/20 trinken – 2025
E2) F 1998 Chateau Mouton Rothschild, Pauillac  18.5+/20 trinken – 2030
E3) F 1998 Chateau Le Tertre-Roteboeuf, Saint-Emilion  19.5/20 trinken – 2025
F1) USA 1994 Peter Michael Winery Les Pavots Estate Red, Sonoma County 19/20  trinken – 2025
F2) Aus 1998 Penfolds Grange Bin 95 17.5/20? trinken – 2025
F3) I 2001 Tenuta dell’Ornellaia Ornellaia 18/20 trinken – 2025
G1) F 2001 Chateau Lafite Rothschild, Pauillac 19/20 trinken – 2030
G2) F 2000 Chateau Pichon Longueville Comtesse de Lalande, Pauillac 19/20 trinken – 2030
G3) F 2000  Chateau Le Tertre-Roteboeuf, Saint-Emilion   19/20 trinken – 2025
H1) USA 2006 Robert Foley Vineyards Claret, Napa Valley 18.5+/20 trinken – 2030
H2) Oes 2006 Weingut Gerhard Markowitsch ‚M1‘, Göttlesbrunn Niederösterreich
19/20 trinken – 2030
G3) F 2003 Domaine Auguste Clape Cornas, Rhone 17/20 austrinken

 

 

2 Kommentare

  1. Veröffentlicht von franz kater am 21. Juli 2015 um 18:58

    Das Weingut Gerhard Markowitsch befindet sich in Göttlesbrunn, Weinbaugebiet Carnuntum, Bundesland Niederösterreich!!!

    • Veröffentlicht von Sebastian Schwander am 25. Juli 2015 um 10:23

      Danke für den Hinweis. Ist korrigiert. Gruss nach Oesterreich.

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