Bordeaux 1988: Da weiss man, was man hat. Einen guten Abend.

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2014 06 Marcello Nils Bdx 88

Bordeaux 1988 ist ein sicherer Wert. Die Qualität ist homogen und liegt zwischen gut und sehr gut. Man erlebt selten Überraschungen und praktisch nie Enttäuschungen. Wer den etwas rustikalen, erdigen Stil mit ab und zu grünem Cabernet mag, ist mit diesem Jahrgang immer gut bedient.

Kenn doch alles klar ist, wieso dann eine 88er Probe? Eben deswegen. Weil sie Garant sind für einen zünftig, klassischen Bordeaux Abend. Dies überlegten sich auch die beiden Bestbottler Marcello Botti und Nils Frei (www.bestbottle.ch). Sie luden ins Zunfthaus zur Waag nach Zürich. Ein gutes Dutzend Weinfreunde folgen dieser Einladung und brachten 88er Schätze aus ihren Weinkellern mit. Ein guter Abend!

1988 L’Eglise-Clinet, Pomerol 16.5/20 trinken – 2020
1988 Vieux Chateau Certan, Pomerol 17/20 austrinken
1988 Certan de May de Certan, Pomerol 17/20 austrinken
1988 Gazin, Pomerol 18/20 trinken – 2025
1988 Trotanoy, Pomerol 17/20 trinken – 2020

2014 05L’Eglise-Clinet wirkte etwas grenzwertig, und Diskussionen über Kork oder nicht verstummten bis zum letzten Schluck nicht. Malz, Zedern und Stroh. Etwas unsauber vinifiziert oder unreif. Bei Vieux Chateau Certan, wird die intensive Barrique Röstung den Wein wohl überleben. Sehr süsse blau- und rotbeerige Aromen, Bittermandeln, Vanille und Mocca. Im Gaumen reif und fast ein wenig zerbrechlich. Ähnlich erlebte ich Certan de May, Röstig, pflaumiges Bouquet. Etwas Malz, leicht überreif. Wirkt im Gaumen charmant mit schöner Länge.

Sieger der Serie wurde 1988 Gazin. Süsses, vielschichtiges Bouquet. Cassis, Pflaumen, Lakritze, Pop Corn, Kalk, Rauch und Zedern. Mittelschwer mit gesunder Säure. Also passend zum Gesamtpaket und zu den Herausforderungen des schwierigen „Merlot Jahrgangs“. 1988 Trotanoy war droppsig, oberflächlich süss im Bouquet. Bringt aber recht viel Stoff im Gaumen. Immer noch gute Struktur. Der klassische Essensbegleiter.

1988 Cheval Blanc, Saint-Emilion 17.5/20 trinken – 2020
1988 La Mission Haut-Brion, Pessac-Leognan 17/20 trinken – 2020
1988 Ausone, Saint-Emilion 17/20 trinken – 2025
1988 Haut-Brion, Pessac-Leognan 18/20 trinken – 2025
1988 Canon, Saint-Emilion 15/20 austrinken
1988 Haut-Bailly, Pessac-Leognan -/-

Gut gefiel mir Cheval Blanc. Kirschen, Pflaumen, Jod, Kalk. Etwas Tabak. Grenzwertige Tresternote oder ganz leicht störende Essigstich. Im Gaumen schmeichelnd elegant und anmutig. Aber klar, von Cheval Blanc erwartet man mehr. La Mission Haut Brion überzeugte mit seiner klassischen, rustikalen Art. Reife Pflaumen, Tabak, Leder und Zedern. Seine leicht grüne Cabernet Note passt zu seinem bodenständigen Charakter. Ausone zeigt sich im Bouquet elegant, rot- und blaubeerig mit Leder, Pfeffer und Gewürzen. Beginnt im Gaumen recht druckvoll und füllig. Die Tannine und Säure scheinen (noch) nicht ganz am richtigen Platz um die erhoffte Harmonie auszustrahlen.

Ein ganz sicherer 88er Wert ist Haut Brion. Der Wein reift langsam. Die Aromen sind immer noch dunkelbeerig, süsse Kirschen, Cassis, Tabak und Rauch. Zeigt sich rustikal, kantig und sehr charaktervoll im Gaumen mit viel Druck und Grösse. Canon „blufft“ mit angenehmen Bouquet, würzig, mineralisch, Jod. Im Gaumen aber recht eindimensional und mit einer übermässigen Säure, die hier gar nicht mehr hingehört. Der korkige Haut Bailly fiel diesmal durch. Bei der Karfreitagsdegu von André Kunz bewertete ich ihn im April mit starken 18/20 (tr – 2025)

  • 1988 Clerc-Milon, Pauillac 17/20 trinken – 2020
    1988 Chateau Margaux, Margaux 18/20 trinken – 2025
    1988 Pichon Longueville Comtesse de Lalande, Pauillac 17.5/20 austrinken ?
    1988 Pontet-Canet, Pauillac 18/20 trinken – 2025
    1988 Cos d’Estournel, Saint-Estephe 18/20 trinken – 2020

Clerc Milon ist ein Vorzeigebeispiel für Bordeaux 1988 Stilistik. Blau- und schwarzbeerige Grundaromatik, grüne Peperoni, Kräuter, Feuerstein und Leder. Rustikal, kernig strukturiert mit ziemlich hoher Säure. Stoffiger und voller präsentiert sich Chateau Margaux. Würzig, ledriges „helles“ Bouquet, defensive Frucht und etwas Jod. Mittelschwere Struktur. Man spürt zwar die Premier Grösse, aber das Jahrgangspotential lässt einfach nicht mehr zu. Pichon Lalande war keine optimale Flasche (Niveau HS). Trotzdem der Liebling von einigen Gästen. Üppig, süsse Nase. Verlockendes Toasting, Caramel, Mocca und viel Lakritze. Im Gaumen weit fortgeschritten und etwas müde. Aber Achtung: Eine Top Flasche hätte womöglich an der Spitze mitgespielt. Hatte ihn vor zwei Jahren zuletzt mit 18.5/20 deutlich über dem 90er bewertet.

Ein brachialer Urzeit Dinosaurier Pauillac ist 1988 Pontet Canet. Allen „Neuzeit Punktetrinker“ würde es den Magen umdrehen… Bei mir ist es jeweils fast umgekehrt. Enorm würzige Nase. Minze, Schwarztee, Teebaumöl, Teer, Leder und Zedern. Wenn „rustikal“ zu einem Wein perfekt passt, dann hier. Genau so wie der typische, bodenständig ehrliche Cos‘ d’Estournel. Immer noch schöne blaubeerige Frucht. Feine Holznoten. Zupackender, kräftig wilder Cabernet in seiner klassischen, erdigen Art.

1988 Lynch-Bages, Pauillac -/-
1988 Pichon Baron-Longueville, Pauillac 17.5/20 trinken – 2020
1988 Lafite Rothschild, Pauillac 18/20 trinken – 2025
1988 Leoville-Las Cases, Saint-Julien 18/20 trinken – 2030
1988 Chateau Latour, Pauillac 18/20 trinken – 2030
1988 Mouton Rothschild, Pauillac 19/20 trinken – 2030

Der diesmal völlig kaputte (schlechte Flasche) Lynch Bages trinke ich zuhause oft, mit lockeren 18/20 (tr – 2025). Sehr gut gefiel mir Pichon Baron. Cremiges Bouquet. Blaubeerige Aromen, Malz, Rauch, Zedern. Dichter und druckvoller Gaumen. Schöne Balance und Länge. Bei Lafite Rothschild tippte ich eher auf St. Julien. Er zeigt im Bouquet viel Holz, Stroh, Gewürze, Feuerstein und eher blumige Aromen.
Mittelschwer strukturiert und entweder nicht 100% sauber oder dann schlägt eine etwas grüne Unreife durch. Ein ganz sicherer 88er Wert ist Leoville-Las Cases. Volles, breites, würziges Bouquet. Etwas Curry, Kaffee, Koriander. Einzigartige, exotische Nase. Fehler oder nicht? Mir gefiel es. Gaumen ist etwas weniger spektakulär als die Nase. Hier dominiert mehr Klassik als Exotik.

Chateau Latour wirkte wie erwartet robust und kräftig. Würziges Bouquet. Thymian, Rosmarien und immer noch schöne dunkle Aromen. Zupackend im Gaumen. Viel Stoff und Reserven. Nicht die Finessen eines 89er oder 90ers. Aber möglicherweise das längere Leben. Anfangs Juli gibt’s wieder mal eine umfangreiche Latour Vertikale. Eine gute Gelegenheit, die wichtigsten Latour Jahrgänge neu zu justieren. Der schönste 88er des Abends war Mouton Rothschild. Auch das ist keine Ueberraschung, dafür aber immer wieder eine Freude und ein grosses Privileg. Klassisch, röstige Mouton Nase. Dunkelbeerig, Creme Chassis, Praline, Nougat, Mocca und Rauch. Der Wein verfügt über eine traumhafte, klassische Struktur und Balance, der ihn nun über die Folgejahrgänge 1989 und 90 stellt.

1988 Chateau d’Yquem, Sauternes 18.5/20 trinken – 2050
1988 Climens, Sauternes 17.5/20 trinken – 2040

Die beiden süssen Schlusspunkte: Der recht füllige, bullige d’Yquem. Mit breit ausladendem Bouquet. Honig, Sultaninen, Salz, Jod und Safran. Ölig, fest im Gaumen mit sehr langem Abgang. Climens zeigt sich heller in der Farbe, leichter in der Nase (Kamille, Vanille, Honig) und frischer im Gaumen, dafür etwas weniger komplex als d’Yquem.

 Publikumswertung
Mehr Infos zu den Best Bottle Events von Marcello Botti und Nils Frei finden Sie unter www.bestbottle.ch

 

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