Back to the Future: Bordeaux 1985

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1985 klebten wir zum ersten Mal eine Autobahnvignette an unsere Autoscheiben. Mit Live Aid fand das grösste Benefiz Konzert der Geschichte statt. Das Wrack der Titanic wurde entdeckt. Neugeborene taufte man am liebsten auf die Namen Christina oder Christian. Der Schweizer Dano Halsall schwamm mit 22.54 Sekunden über 50 Meter Freistil Weltrekord. Back to the Future schafft es zum erfolgreichsten Film des Jahres und Opus mit Life is Life (na naaa nahh na nah…) stürmten die Single Charts. Dem Opel Kadett E gratulierten wir zum Auto des Jahres und unsere Lieblingsdisco hiess Harrissen Bar in Stansstad. Bleibt noch offen, welches 1985 die besten Bordeaux Weine waren?

1985 gilt kommerziell wie qualitativ als erfolgreiches Jahr in Bordeaux. Mit heissem Sommer und idealem Wetter im August und September erfreuten sich die Cheatau Besitzer einer grossen Ernte. Preislich wurden die 85er für damalige Verhältnisse sehr hoch angesetzt. Die Premiers allesamt über CHF 100.- in der Subskription, die Deuxiemes rund die Hälfte.

 

2015 05 BX85 Titel

 

Mein Fazit der Probe im Restaurant Kreuz Emmen: 85er Bordeaux aus guter Lagerung befinden sich jetzt in Topform. Die besten Weine haben sogar noch ein oder zwei Jahrzehnte vor sich. Es sind mehrheitlich feinstrukturierte, elegante, fast graziöse Clarets mit vielschichtigem Aromenbild. Extrovertiert, zugänglich und charmant. 1985 ist im Gegensatz zu 1986 nie kompliziert. Müsste ich die Achtziger Jahre in einer Rangliste zusammenfassen, so würde der 85er zusammen mit 1983 und 1989 um den Bronzeplatz (hinter 1982 und 1990) kämpfen. 

 

1985  Chateau Montrose, Saint-Estephe 16/20  austrinken
1985 Chateau Cos d’Estournel, Saint-Estephe -/- ?
1985 Chateau Ducru-Beaucaillou, Saint-Julien  -/- austrinken 
1985 Chateau Talbot, Saint-Julien  17.5/20 austrinken
1985 Chateau Lagrange, Saint-Julien  17/20  austrinken
1985 Chateau La Lagune, Haut Medoc 17/20 austrinken

 

Nicht viel erwartete ich von Chateau Montrose, doch das Bouquet überraschte mit würzig, ledrigen Noten. Viel Tabak, etwas Pflaumen und Orangeade. Im Gaumen dann aber leider sehr rustikal, drahtig und unharmonisch. Keine gute Flasche erwischten wir beim Chateau Cos d’Estournel, der Wein sollte eigentlich immer noch gut sein. Die welke, malzige und oxydative Nase kann nur von schlechter Lagerung stammen. Chateau Ducru-Beaucaillou kann man als „klassisch“ bezeichnen, denn die meisten 80er Ducrus nerven mit dieser penetranten Unsauberkeit. Auch diesmal Brett oder Kork im Bouquet. Gaumen wäre geschmeidig, noch mit Frucht ausgestattet. Aber eben… Immer die gleiche Leier mit Ducru.

 

2015 05 85 Bdx Serie 1

 

Gut gefiel mir Chateau Talbot mit cremig, röstigem Bouquet. Milchkaffee, Kokos, Leder, Zedern. Klassisch, rustikal strukturiert, mittlere Länge und etwas trockenem Abgang. Positiv überraschte auch Chateau Lagrange. Laktisch, süssliches Bouquet. Malz, Ovo, Zedern, Stroh. Gaumen lebendig gut erhalten. Immer noch ein toller Esswein. Genau wie Chateau La Lagune. Auch dieser Haut Medoc überzeugte mit würzig, mineralischer Nase. Schöne Tabakaromen und Kerzenwachs.  

 

1985  Chateau L’Eglise-Clinet, Pomerol 18.5/20  austrinken
1985 Chateau L’Arrosee, Saint-Emilion 15/20 austrinken
1985  Chateau La Conseillante, Pomerol  18.5/20 trinken – 2020
1985  Chateau L’Evangile, Pomerol 18.5/20 austrinken
1985  Chateau Pavie, Saint-Emilion 16/20 vorbei
1985  Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion 19/20  trinken – 2025

 

Grossartiger Jahrgang am rechten Ufer. Die Merlot dominanten Weine ertrugen die Hitze erstaunlich gut. Das Resultat sind viele runde, harmonisch und sehr aromatische Weine. Wie auch diese Serie bewies: Chateau L’Eglise-Clinet wirkt im Bouquet frisch. Schwarz- und rotbeerige Grundaromatik, etwas Schoko, Kalk und Himbeeren. Im Gaumen burgundisch, geschmeidig mild, mittlere Intensität und schöner Länge. Chateau L’Arrosee befindet sich ganz am Ende seiner Genussphase. Das Bouquet „kippt“ langsam. Rosinen, dunkle Schokolade und Maggikraut. Im Gaumen ordentlich mit leicht staubiger Note. Faszinierend präsentiert sich Chateau La Conseillante. Er war zwar vor fünf Jahren noch exotischer, aber auch jetzt ist er immer noch ein erotisch-eleganter Pomerol. Offenes Bouquet, Cassis, Himbeeren, Kokos, Vanille, Orangeade und Trüffel. Samtig feiner Gaumen, harmonisch ausgewogen und schöner Länge ausgestattet. Nicht mehr ganz so füllig wie früher, aber immer noch ein grossartiger La Conseillante.

 

2015 05 85 Bdx Serie 2

 

Auch nur gutes berichten lässt sich von Chateau L’Evangile. Süsses Bouquet, Kandis und Caramel, leicht laktisch. Mit guter Frucht unterstützt, bereitet der Wein enormen Spass. Feine Struktur und völlig abgebaute Tannine. Super, aber nicht mehr lange… Chateau Pavie wirkte überreif. Obs generell mit diesem Wein schon so weit ist, oder es sich um eine nicht optimale Flasche handelte, wird der nächste Kontakt zeigen. Leicht oxydative Nase, Liebstöckel, dunkle Schokolade und Kandis. Im Gaumen erste Zerfallserscheinungen. Deutlicher Sieger dieser Serie und ein Kandidat für den Wein des Abends, wenn nicht sogar generell für den Jahrgang 1985 wurde der phänomenale Chateau Cheval Blanc. Das war eine super frische Flasche! Jugendliches Bouquet. Blau- und rotbeerige Grundaromatik, Himbeeren, viel Würze, Teer, Lakritze, Streichholz, Wachs. Im Gaumen füllig, elegant und mit super Länge ausgestattet. Ein Traum Cheval Blanc! 

 

1985  Chateau Leoville Barton, Saint-Julien  16/20  austrinken
1985 Chateau Leoville-Las Cases, Saint-Julien 19/20 trinken – 2022
1985 Chateau Leoville Poyferre, Saint-Julien  17/20 trinken – 2025
1985 Chateau Gruaud-Larose, Saint-Julien  17.5/20 trinken – 2022
1985 Chateau Lafite Rothschild, Pauillac  18/20 trinken – 2025
1985 Chateau Grand-Puy-Lacoste, Pauillac 18.5/20 trinken  – 2020

 

Chateau Leoville Barton zeigte sich sehr offen mit würzig röstigem Bouquet. Mocca, Caramel und Lakritze. Eigentlich atypisch für den sonst eher erdig rustikalen Barton. Dies offenbarte er dann im Gaumen. Kurz, hart und wenig Charme. Von ganz anderem Muster gestrickt ist Chateau Leoville-Las Cases. Davon leistete ich mir Anfangs der 90er Jahre eine Kiste für 650 Franken. Damals mein teuerster je gekaufter Wein… Dunkles Granat; offen, zugängliches Bouquet. Immer noch Cassis, etwas Pflaumen. Wachs, Zedern, Russ und Lakritze. Im Gaumen mittlere Intensität, beeindruckende Harmonie und seidenfeine Tannine. Irgendwie ein unauffälliger Wein, der aber genau das widerspiegelt, was man von einem grossen 85er Claret erwartet. Eleganz pur. Etwas im Schatten stand Chateau Leoville Poyferre. Defensiv, mineralisches Bouquet. Kalk, Zedern und leicht grüne Paprika. Im Gaumen reif und zugänglich aber auch etwas unspektakulär.

 

2015 05 85 Bdx Serie 3

 

Der sehr dunkle Chateau Gruaud-Larose schoss so richtig aus dem Glas mit teerig, animalischer Note. Viel Tabak, Malz und Leder. Burschikos, rustikal im Gaumen. Ein Gruaud wie er sein muss. Entweder liebt man es oder lässt es bleiben. Unglaublich jung im Bouquet wirkte Chateau Lafite Rothschild. Frische defensiv beerige Noten, Cakesfrüchte, Kokos, Praline und Vanille. Im Gaumen völlig abgerundet, hoch elegant und wunderbar zu trinken. Die Frage stellte sich, ob da nicht mehr Tiefgang für einen so teuren Premiers vorhanden sein müsste? Nein, denn wer Wucht und Kraft erwartet sucht beim Jahrgang 1985 vergebens. Und noch was zum Preis: Dieser ist bei einer Bewertung völlig irrelevant. Der Wein kann ja nichts dafür, dass er so teuer ist.

Erfreuliche die Entwicklung von Chateau Grand-Puy-Lacoste. Klassisch, dunkelbeerige Pauillac Grundaromatik. Rauch, Leder Tabak, etwas Peperoni, Minze und Zedern. Einer der kräftigsten Weine des Abends. Dichter, intensiver Gaumen und Potential für weitere zehn Jahre. Steht im Schatten des 82ers und des 90ers und daher wohl auch preislich eine Affäre wert…

 

1985  Chateau La Mission Haut-Brion, Pessac-Leognan 18+/20  trinken – 2030
1985  Chateau Haut-Brion, Pessac-Leognan 19/20 trinken – 2030
1985 Chateau Pontet-Canet, Pauillac  16/20 austrinken

 

Chateau La Mission Haut-Brion beeindruckte durch seine Jugendlichkeit und Kraft. Viel Holz im Bouquet, die Frucht scheint etwas unterdrückt aber nicht weg. Der Wein wirkt komprimiert und irgendwie in einer Zwischenphase. Im Gaumen zeigt er Tiefgang und Länge, aber wenig Entwicklung. Kommt da noch was? Fraglos einer der schönsten Weine des Abends war Chateau Haut-Brion. Herrliche extrovertierte Nase mit viel Gewürzen, Kandis, Vanille, Tabak, Mocca und Leder. Sogar etwas Eukalyptus. Sehr vital im Gaumen, schöne Balance und Länge. Ein ruhiger, erhabener Haut Brion. Bordeaux Klassik par excellence! Da vermochte der Chateau Pontet-Canet verständlicherweise nicht ganz mitzuhalten. Rosinen, Pflaumen, Lack und Kandis im Bouquet. Grob, rustikal strukturiert mit kernigen Tanninen, die da eigentlich gar nicht mehr hingehörten. Verglichen mit dem Hype von heute – ein Pontet Canet aus einer anderen Welt.

 

2015 05 85 Bdx Serie 4

 

 

1985  Chateau Palmer, Margaux   18.5/20  trinken – 2020
1985 Chateau Margaux, Margaux   18/20 trinken – 2025
1985 Chateau Pichon Longueville Comtesse de Lalande, Pauillac 18.5/20 trinken – 2020
1985 Chateau Latour, Pauillac  18/20  trinken – 2025
1985 Chateau Mouton Rothschild, Pauillac 18/20 trinken – 2020
1985 Chateau Lynch-Bages, Pauillac  19/20 trinken – 2020

 

Wunderbar präsentierte sich Chateau Palmer. Würzig defensives Bouquet, Pflaumen, Zedern, Malz und Leder. Begleitend von attraktiven Röstaromen und Trüffeln. Der Gaumen ist ein Ausbund von Fülle und Eleganz. Macht enorm Spass. Schwarzbeerig, mineralisch zeigt sich Chateau Margaux. Sehr homogene, offene Nase. Kerzenwachs, Tabak und Russ. Im Gaumen erstaunlich wenig Entwicklung. Dieses Defizit macht er mit seinem betörend süssen und langen Abgang wieder wett. Prachtvoll kam Chateau Pichon Longueville Comtesse de Lalande daher. Exotisch, extrovertiert und füllig! Reifes Cassis, Kokos, Cakesfrüchte, Vanille, Bittermandeln und Gianduja. Voller Schmelz im Gaumen, rund, harmonisch. Fast dekadent schön…

 

2015 05 85 Bdx Serie 5

  

Auch für Chateau Latour galt in diesem Jahr: Eleganz vor Kraft. Defensiv schwarzbeerig. Lebt im Bouquet eher vom Holz. Brotkruste, Toast, Kandis und Vanille. Im Gaumen mittelschwer, erdig und sogar etwas rotbeerig. Schön ausgewogen und enorm stimmig. Ein fast zärtlicher Latour mit viel Charme. Leider handelte es sich bei Chateau Mouton Rothschild um eine etwas dumpfe Flasche. Da ich dem Wein in letzter Zeit glücklicherweise zwei, dreimal begegnet bin, kann ich die Notizen zusammenfassen. Reifes, würziges Bouquet. Immer noch Cassisresten. Dazu Schwarztee, Bisquit, Leder, Trüffel und Lakritze. Im Gaumen harmonisch und geschmeidig. Scheint seit Jahren am Ende seiner Trinkreife zu sein, und bereitet aber trotzdem jedes Mal wieder Freude. Ähnliches Phänomen wie beim 83er Mouton.

Bleibt noch der verblüffende Chateau Lynch-Bages. Tiefgründige, intensive Nase. Pflaumen, Cassis, Bisquit, Kokos, Tannen, Mocca, Espresso. Wie immer etwas Peperoni, aber alles stimmig und am richtigen Fleck. Der Gaumen wirkt ausladend, intensiv und super reif. Das war eine Top Flasche und in dieser Form immer noch eine Suche wert. Oftmals tut man dem Lynch Bages etwas unrecht, da er jung schon so viel Spass macht und die Quantitäten meisten recht hoch sind. Doch es lohnt sich immer ein paar Flaschen auf die Seite zu legen. Nicht nur dieser 85er ist jetzt top. Auch 88 hat sich in den letzten Jahren enorm gemausert, und mit 86 geht es jetzt erst so richtig los. 

Apropos 1986. Die feiern nächstes Jahr ihr 30jähriges Jubiläum. Ob wir da auch so viel Homogenität, Fülle und Eleganz erwarten können? Wohl kaum. Aber wir lassen uns nicht abhalten. Bordeaux 1986: Der schmale Grat zwischen Lust und Schmerz (demnächst zu finden bei den Events).

3 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Philipp Rüedi am 15. Mai 2015 um 8:37

    Hallo Herr Schwander

    Ich hatte vor kurzem den 85er Leoville Barton getrunken. Zuvor hatte ich jedoch einige schlechte Tasting-Notizen gelesen… Offensichtlich gibt es da sehr unterschiedliche Flaschen….

    Volle, ausdrucksstarke Nase. Mittler bis voller Körper, runder St. Julien auf sehr hohem Niveau! Super schön gereifter Cabernet mit der typischen, traditionellen Barton Aromatik, langer Abgang. Sehr schöner Wein, wird sich noch einige Jahre halten… Sehr empfehlenswert! 95/100.

    Noch ein bisschen schöner ist der 85er Pichon Baron de Longueville…

    Liebe Grüsse

    Philipp Rüedi

  2. Veröffentlicht von Roger Hirzel am 12. Mai 2015 um 6:28

    Sali baschi

    Besten Dank für die wieder einmal perfekte Organisation. Zu den weinen möchte ich nicht viel mehr beitragen das machst Du perfekt merci für den schönen und Interessanten Abend

    roger

  3. Veröffentlicht von Martin Himberger am 11. Mai 2015 um 18:59

    Hoi Baschi,

    danke nochmal für das Event letzten Freitag. Hat viel Spass gemacht und sehr interessante Eindrücke.

    Da ist man zum ersten Mal dabei und schon hat die eine Flasche (Ducru) einen Knacks – tut mir wirklich leid dafür. Hoffe beim nächsten Mal sieht das besser aus… aber leider steckt man ja nie ganz drin.

    Zwecks Notizen kann ich zumindest die top-3 mit „La Mission Haut Brion“, „Haut Brion“ und „Cheval Blanc“ angeben – enttäuscht (nimmt man die grossen) war ich vom „Latour“.

    Bis hoffentlich bald mal wieder; habe mit Philippe gesprochen der sein Interesse ja bereits für das Bordeaux 1995 event bei best-bottle bekundet hatte… denke das wäre ein weiteres tolles Event.

    Danke nochmal für den Abend und beste Grüsse

    Martin

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