Angelo Gaja: Handwerker, Revolutionär und Visionär

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Der 1940 geborene Angelo Gaja leitet die Geschicke des wohl berühmtesten Piemont Weinguts seit 1961 in vierter Generation. Bereits in seinen ersten Jahren führte er markante, qualitätssteigernde Massnahmen um, welche weit über das Städtchen Barbaresco hinaus für Furore sorgten.  Rebschnitt, Ertragsbeschränkungen, keinen Zukauf von fremden Trauben mehr, Einsatz von Barriques und viele weitere – für diese Zeit – „verrückten Ideen“ verwirklichte der önologische Revolutionär und Visionär.

Gaja war damals der erster Winzer im Piemont, der seine Weine nach Einzellagen selektionierte. Er befasste sich intensiver mit Mikroklima, Ausrichtung der Rebberge und moderner Kellertechniken als die meisten Traditionalisten. Mit Anpflanzung von Cabernet Sauvignon betrieb er einen regelrechten Tabubruch. Sein Charisma und die schlichte schwarz-weisse Etikette machten Gaja rund um den Globus bekannt. Noch heute gilt er eine hoch angesehene Weinpersönlichkeit im Piemont. Für viele junge Oenologen ein Vorbild. Kein anderer Winzer hat soviel für den heutigen, weltweite Reputation des Piemonts beigetragen. In den 90er Jahren expandierte Gaja in die Toscana. Kaufte dort das Weingut „Pieve Santa Restituta“ in Montalcino und später  „Ca’Marcanda“ in Bolgheri. 

Man begegnet den Weinen von Angelo Gaja selten, obwohl die Schweiz scheinbar das Exportland Nummer eins für die gesuchten Nebbiolo Köstlichkeiten ist.  Auch mein Weinkeller ist eher spärlich mit den legendären Barbaresco Lagen, dem Sperss oder dem Darmagi bestückt. Deshalb ergriff ich die Gelegenheit, als der Best Bottle Circle zu einem Gaja Abend in die Pinte Dättwil aufrief. Nichts wie hin!

Persönlich kenne ich Angelo Gaja leider nicht. Es sei fast unmöglich eine Audienz an der Via Torino 18, 12050 Barbaresco  zu erhalten, hört man immer wieder. Bis ich von Monica Larner erfuhr, dass es tatsächlich eine Chance gebe, die Pforten beim Godfather of Barbaresco zu öffnen. Indem man nämlich einen Nachweis für eine Spende von CHF 300.- an eine gemeinnützige Organisation vorweise. Also an alle Gaja Fans: Probiert es aus! Überweist mir 300 Franken – ich bin gemein und mir wär’s nützlich…. Salute!

Gaja Barbaresco

Gaja’s Klassiker. Ein Nebbiolo Cuvee aus bis zu 14 verschiedenen Lagen rund um die Gemeinde Barbaresco. Der Ausbau erfolgt heutzutage während 12 Monaten in Barrique und nochmals 12 Monate grossen Eichenfässern. Aktuelle Preise: CHF 120 – 160.

 

 

 

1967 Gaja Barbaresco

Trübes Grant, deutlich überreife Aromen. Rumtopf, Liebstöckel, Palisander. Putzfäden. Befindet sich auf dem Sterbebett. 1967 ist sowohl bei Menschen wir bei Piemontesischen Weinen ein grosser Jahrgang. Doch diesen Barbaresco überlebe ich auf jeden Fall….

14/20

vorbei

1971 Gaja Barbaresco

Zartfeines Bouquet. Hollunder, Erdbeeren, Tabak, Erde, leichte Pilznoten. Im Gaumen angenehm, noch lebendig, feine Säure. Hält sich erstaunlicherweise relativ lang auf diesem Niveau im Glas. Endphase.

16/20

austr.

1974 Gaja Barbaresco

Leuchtendes, helles Granat. Delikate, beerige Aromen. Himbeeren, Stachelbeeren, leichte Caramelnoten. Leder. Im Gaumen nach wie vor gute Struktur, eine gewisse „Piemont Strenge“, doch vital fürs Alter und immer noch schöne Harmonie und Länge. Zeigt auf eindrückliche weise, wie toll Nebbiolo altern können, wenn sich Frucht parallel zu Säure entwickelt…

18/20

austr.

1982 Gaja Barbaresco

Granat; Voluminöses, offenes Bouquet. Röstaromen, Wachs, Nuss, Balsamico, etwas staubig. Ein Touch flüchtige Säure. Im Gaumen relativ stramme Säure und  für die feingliedrige Struktur. Rustikaler, erdiger Barbaresco.

16/20

austr.

1985 Gaja Barbaresco

Deutlich braune Noten, Liebstöckel, Champignon, erste Oxydation. Im Gaumen besser aber deutliche Rosinen Noten. Wirklich schon vorbei, der grosse 85er Barbaresco oder eine schlecht gelagerte Flasche? Keine Bewertung.

   

1989 Gaja Barbaresco

Reife, rosinige Aromen. Birnel, Trester, etwas Lakritze. Alles wirkt sehr feingliedrig, mineralisch, elegant und erdig-lehmig, Piemont-typisch. Mittelschwer im Gaumen, reif. Intensive Säure vermag das Volumen zu bündeln. Absoluter Liebhaberwein.

17.5/20

tr – 2030

1990 Gaja Barbaresco

Würzige, intensives Bouquet. Kurkuma, Bouillon, Jute, Leder. Im Gaumen kräftig, rustikal. Frucht ist klar im Hintergrund. Die intensive Würzigkeit zieht sich durch bis in den Abgang. Kernige Tannine lassen ihn im Moment etwas kantig und uncharmant erscheinen. Schreit nach Essen! Kommt er nochmals? 17.5/20 tr – 2030

17.5/20

tr – 2030

 

Gaja Barbaresco Sori San Lorenzo, Sori Tildin und Costa Russi

Die drei weltberühmten Lagen-Nebbiolo, welche Angelo Gaja ab den 70er Jahren produziert. Früher war es Gang und Gäbe, dass man Trauben aus verschiedenen Parzellen und Rebbergen einsetzte. Gaja sah durch die Separierung eine klare qualitative Hochstufung, im Vorbild der gerühmten Burgunder Grand Gru Lagen. Ab 1996 verzichtete Angelo Gaja auf die DOCG Deklaration, um sich die Freiheit zu nehmen, den Wein mit einem kleinen Prozentsatz Barbera zu verfeinern. Heute sind es wieder 100%ige Nebbiolo. Der Ausbau erfolgt identisch zum normalen Barbaresco. Aktuelle Preise: CHF 300 – 400.

 

 

1988 Gaja Sori San Lorenzo Barbaresco

Ruchig, erdiges Boquet. Teer. Frisch, kräftige Struktur. Rusikal. Nach wie vor gute Frucht. Klarer Piemont Typizität. Ehrlich, gradliniger Wein.

18/20

tr – 2025

1995 Gaja Sori San Lorenzo Barbaresco

Frische blau- und schwarzbeerige Aromen. Leder, Pfeffer, Erde, Teer, Streichholz, Schwarztee, nasser Karton. Vielschichtig, spannendes Bouquet. Wild und Reife suchend im Gaumen. Tannine und Säure sind aktuell etwas vordergründig. Zwischenphase, zu jung.

18+/20

tr – 2030

1999 Gaja Sori San Lorenzo Barbaresco

Harmonisch, blau- und schwarzbeeriges Bouquet. Pflaumen, Kirschen, blumige Düfte, Erde, Trüffel, Gewürze und Leder. Jung im Gaumen, stark in sich zusammengezogen. Aromen sind etwas blockiert. Aber gute Voraussetzungen. Warten oder drei Stunden dekantieren.

18+/20

tr – 2035

 

 

1989 Gaja Sori Tildin Barbaresco

Orange/braun, Leicht überreife Noten im Bouquet. Rosinen, Sultaninen, Maggikraut. Mehlig, breit im Gaumen. Zerfällt in sich. Schlecht gelagerte Flasche, keine Bewertung.

   

1996 Gaja Sori Tildin Barbaresco

Offen, röstig-nussiges Bouquet. Kokos, Schoko, Gewürze, Lavendel, Butter. Kantige Tannine, intensive Säure. Kräftig und trotzdem aktuell wenig Ausdruck. Hoffen und Warten. 17+/20

17.5+/20

tr – 2035

 

Gaja Sperss

Die Trauben dieses seit 1988 produzierten Weins stammen aus Serralunga d‘ Alba. Ein fast reinsortiger Nebbiolo mit kleinem Barbera Anteil. Ausgebaut während 12 Monaten in Barriques und 18 Monaten in grossen Eichenfässern. Die jährlich rund 20’000 Flaschen gehen für CHF 150 – 200 über die Theke.

 

 

1989 Gaja Sperss

Mollig, intensives Bouquet. Wunderbare süsse, leichte Lakritze Noten, Bittermandeln, Pfeffer und Zimt. Darunter Maulbeeren, Cassis. Super Stoff im Gaumen, jung, kräftig. Wenig Entwicklung. Tolle Harmonie und Balance. Reift langsam. Öffnet man einen solchen Wein, hat man das Gefühl, ihn vergebens gelagert zu haben. Wirkt immer noch wie fünf jährig…

18.5+/20

tr – 2035

1990 Gaja Sperss

Würzig, beeriges Bouquet, Leder, Staub, Trüffel, Erde. Frucht im Hintergrund. Jung im Gaumen, gradlinig. Rustikal, erdig. Nach wie vor gute Reserven, extrem langlebig. Keine Eile. Drei Stunden dekantieren. Grosser Sperss.

18/20

tr – 2035

1997 Gaja Sperss

Intensiv, dunkelbeeriges Bouquet. Leicht brandige Aromen, angesengte Haare, Wildfleisch, Gewürze, Bouillon. Voluminös im Gaumen, kernige Tannine, zeigt bereits eine erstaunliche Reife und scheint fast weiter zu sein als sein 89er oder 90er.

18/20

tr – 2030

 

 

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