Biondi-Santi: Ein Annäherungsversuch

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Brunello Monalcino von Biondi-Santi, vor allem der Riserva, gehört zu den italienischen Weinikonen. Kaum ein anderes Weingut zieht seinen traditionellen, eigenständigen Stil so konsequent durch wie Biondi-Santi. Ein Annäherungsversuch.

Wie so oft bei visionären Ideen, schüttelte die meisten Weinbauern der Toscana den Kopf, als Clemente Biondi Santi 1888 erstmals einen sortenreinen Sangiovese als «Brunello» deklarierte. Damals erzeugte man Wein für den sofortigen Genuss und nicht für lange Lagerung ausgerichtet. Die einzigen, welche das zu jener Zeit konnten, waren die Franzosen.

Das Weingut Il Greppo gehörte über Generationen in die starken Hände der Aristokratenfamilie Biondi Santi. Traditionell, verwurzelt blieben sie ihrem Weinstil immer treu. Insbesondere der ab 1970 verantwortliche Franco Biondi-Santi, hielt an der alten Machart fest, realisierte damit stolze Preise, doch konnte den Markt (hauptsächlich) Italien nicht erweitern.

Franco Biondi Santi (1922 – 2013)

Im wirtschaftlich immer schwierigeren Umfeld sank die Nachfrage, nach den kargen, säurebetonten Brunelli von Biondi-Santi. Voluminösere, fruchtgetriebenere Exemplare forderte der internationale Markt. Franco blieb unbeeindruckt und seiner Linie treu. Biondi-Santi Weine seien für 50 Jahre Lagerung gemacht und nicht für hohe Bewertungen.

Sogar den Bruch mit seiner Familie nahm der Patriarch in Kauf und liess sich nicht von seinem Kurs abbringen. Der Streit gipfelte in einer Klage gegen seinen eigenen Sohn, der auszog, um seinen eigenen Wein in der Maremma zu produzieren. Nach Ansicht des Vaters dürfe der Namen «Biondi-Santi» auf keinem anderen Etikette stehen, als auf seinem eigenen Brunello…

Brunello di Montalcino Biondi Santi – November 2020 Carlton Zürich

Nach seinem Tod im Jahre 2013 ging es dann schnell und die Pariser EPI Holding (zu der unter anderen die Champagnerhäuser Piper-Heidsieck und Charles Heidsieck gehören) übernahmen die Mehrheit von Tenuta Greppo. Tancredi und Jacobo, Biondi-Santis der siebten Generation, blieben als einzige Familienmitglieder mit Tenuta Greppo verbunden.

Tenuta Greppo

Mit wenigen Veränderungen bewahren auch die neuen Besitzer den traditionellen Stil. Sowohl die Labels wie auch der Webauftritt, welcher an die Geburtsjahre des Internets erinnert, blieben bestehen. Nach wie vor empfehlen sie die Trinkreife ihrer Weine ab 25 Jahren und eine Dekantierzeit von acht (!) Stunden. Man muss also beim Frühstück wissen, wenn man abends einen Biondi-Santi geniessen will….

Tenuta Greppo

Tenuta Greppo umfasst heute rund 150 Hektar Land im Montalcino, wovon ein Fünftel als Weinberg genutzt werden. Die ältesten Reben datieren noch aus den 30er Jahren. Etwa 80’000 Flaschen werden jährlich abgefüllt. Davon 10’000 Flaschen Riserva, welche nur in grossen Jahren produziert wird (letztmals 2012). Ausgebaut werden die Weine während drei Jahren in slowenischen Fässern, welche zum Teil bis hundertjährig sind.

Tenuta Greppo Keller

Das Portfolio umfasst:

Brunello di Montalcino DOCG Riserva (nur in Spitzenjahrgängen)ab CHF 350
Brunello di Montalcino DOCG Annataab CHF 120
Rosso di Montalcino DOCab CHF 50

Bis anhin fand ich wenig Annäherung zu traditionellen Brunelli, insbesondere jene von Biondi Santi. Die strenge DOCG Gesetzgebung (diktierter Holzausbau und Release erst 5 – 6 Jahre nach der Ernte) lässt wenig önologischer oder markektingmässiger Spielraum zu.

Doch das Angebot von Markus Janitzki, der Organisator dieser Biondi-Santi Probe, überzeugte mich und war gerne dabei an diesem gemütlichen Weinabend im Carlton Zürich.

Mein Fazit: Das Konzept von Biondi Santi geht auf. Respekt dafür, eine Machart und Charakteristik über Jahrzehnte und Generationen hinweg kompromisslos durchzuziehen. Die Riservas reifen zweifellos 50 Jahre und länger. Die Säure ist dermassen massiv, dass sie den Wein konserviert. Ob die eher leichten Weine damit an Gehalt und Aromen zulegen, muss jeder für sich entscheiden. Für traditionelle Brunello Fans das Non Plus Ultra. Hedonistische Weingeniesser sollen lieber die Finger davon lassen und sich an günstigeren, zugänglicheren Alternativen erfreuen.

Biondi Santi Rosso 2017 2016

2017 Biondi-Santi Tenuta Greppo Rosso di Montalcino

87 / trinken – 2030

Helles Granat. Offenes, süsses Bouquet. Griotte Kirschen, Bittermandeln, feine Russnote, etwas Gianduja, Kaffee und Leder. Geschmeidig, milder Auftakt. Elegant, tänzerisch, leicht und “süffig”. Sehr feine Tannine. Zugänglich und sehr früh trinkreif.

2016 Biondi-Santi Tenuta Greppo Rosso di Montalcino

90+ / trinken – 2030

Helles Granat. Dezente erdige Aromen im Bouquet. Lehm, Waldboden und Streichholz. Frucht (Pflaumen, rote Kirschen) etwas im Hintergrund. Im Gaumen in sich zusammengezogen. Gerbstoff dominant, mit gutem Potenzial ausgestattet. Vom Typ her näher bei einem Brunello als bei einem Rosso. Grosses Jahr.

Biondi Santi Annata 2013 2012 2011 200*

2013 Biondi-Santi Tenuta Greppo Brunello Montalcino Annata

90+ / 2025 – 2040

Granat. Defensive Nase. Rote Kirschen, Apfel, Russ und blumige Aromen. Im Gaumen wenig Entwicklung. Gutes Gerippe, recht stoffig für Sangiovese. Aktuell etwas holz- und säurebetont. Mittlere Konzentration und Länge.

2012 Biondi-Santi Tenuta Greppo Brunello Montalcino Annata

91+ / trinken – 2035

Offenes, süsses Bouquet. Kirschen, Rosen, Kandis, Leder und Gewürze. Im Gegensatz zum bezaubernden Bouquet, kommt er im Gaumen etwas distanziert und unspektakulär daher. Vielleicht in Zwischenphase. Schwer, so jung zu beurteilen.

2011 Biondi-Santi Tenuta Greppo Brunello Montalcino Annata

91 / trinken – 2030

Dezentes Bouquet. Leicht florale Noten mit etwas Minze. Kirschen im Hintergrund. Etwas Kerzenwachs und Gewürze. Pinot Affinität. Im Gaumen reif, erste pflaumige Aromen. Tannine sind gut eingebunden. Mittlere Konzentration, etwas kurz im Abgang. Anfangs Trinkreife.

2009 Biondi-Santi Tenuta Greppo Brunello Montalcino Annata

93 / trinken – 2035

Offenes, rorbeeriges Bouquet. Rauch, Zedern und leicht florale (aber nicht grüne) Noten. Balsamisch, meine Gewürznoten. Gradliniger Körper, harmonisch. Sehr elegant mit mittlerer Intensität. Stimmiger Brunello. Feingliedrig, samtig. Verführerisch.

Biondi Santi Riserva 2011 1995 1983

2011 Biondi-Santi Tenuta Greppo Brunello Montalcino Riserva

92 / trinken – 2030

Offenes, zugängliches rot- und blaubeeriges Aroma. Etwas Vanille, Kaffee und Laub. Im Gaumen zugänglich, harmonisch, mit spürbaren, feinen Gerbstoffen. Geschmacklich ähnlich zum normalen Brunello aber hier deutlich mit mehr Tiefgang und Länge versehen.

1995 Biondi-Santi Tenuta Greppo Brunello Montalcino Riserva

91 / trinken – 2035

Helles Granat, orange Ränder. Reifes, leicht oxydatives Bouquet. Dörrfrüchte und etwas Pilz. Dahinter noch spürbare Erdbeer- und Himbeernoten. Im Gaumen etwas kühl, distanziert und mit kerniger Säure Alles in einer leichten Form. Eher schon auf dem absteigenden Ast… Brunello Profis attestieren ihm eine deutlich längere Lebenszeit. Irgendwie aufgrund seiner massiven Säure blockiert und kann die Aromen Vielfalt gar nicht richtig ausspielen.

1983 Biondi-Santi Tenuta Greppo Brunello Montalcino Riserva

93 / trinken – 2035

Süsses, rotbeeriges Bouquet. Feine nussige Aromen. Dazu Brotkruste, Caramel, Magenbrot. Die Aromen haben im Vergleich zu 95 oder 2011 deutlich an Komplexität zugelegt. Doch die Säure ist quasi unverändert. Alles reift ausser der Säure. Ob das Sinn macht, oder eben genau dies inBiondi Santis Konzept passt, dass die Weine altern müssen. Beziehungsweise aufgrund der massiven Säure fast unsterblich sind. Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass man diese Art von Wein je auf dem Genusshöhepunkt geniessen kann.

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2 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Lukas Schneider am 22. Dezember 2020 um 12:38

    Hier also meine Eindrücke zum Biondi-Santi-Tasting Anfangs Dezember im Wunderbrunnen.
    Ich habe mich auf die Riservas konzentriert – auch, weil am Ende beim Essen etwas die Zeit fürs Notieren fehlte; die Sperrstunde lässt grüssen! Biondi-Santi war bis vor einer Woche eine beinahe komplette Leerstelle für mich. In meinen mittlerweile fast 4000 Weinnotizen finden sich nur ein paar verstreute Gelegenheiten, bei denen ich mal was – sei es Rosso, Annata oder Riserva –im Glas hatte. Aber die gab es nie zusammen. So etwas wie eine Gesamtsicht auf den Wein hatte ich also nicht. Es wurde höchste Zeit.

    Vielleicht ein kleines caveat vorab. Wenn es um Wein geht, dilettiere ich leidenschaftlich und bin hemmungslos parteiisch. Und da man Punkte sowieso nicht trinken kann, sollte man sie auch nie zu ernst nehmen.

    Wenn man einen Wein kaum oder nicht kennt, muss man sich aufs Hörensagen verlassen. Von einer Ikone ist da die Rede; gut, das glaube ich gerne, wenn man sich die Durchschnittspreise der Riservas so anschaut. Einem Charakterwein, dem es – hätte er denn einen eigenen Willen – wohl so ziemlich egal wäre, was der geneigte Trinker, die geneigte Trinkerin über ihn denkt. Ein Wein, dem man sich annähern muss. Der eine kleine Ewigkeit braucht, um aus den Puschen zu kommen. Antonio Galloni schrieb mal über Biondi-Santi: «The Biondi-Santi Brunellos are known for their sense of classic austerity, and, above all else, their ability to age.»

    Ein karger, strenger Wein also, auf den man Jahrzehnte warten muss? Alles stiff upper lip?

    Klar ist: Wer es mit kräftiger Säure nicht so hat, wen mächtiges Tannin verschreckt, wer vor allem Frucht sucht, wer Opulenz vorzieht, der wird sich schon schwer tun mit dieser Art Wein. Mainstream geht sicher anders. Und mit den auf modern getrimmten Brunelli, wie man sie heute in der Mehrzahl antrifft, hat das so gut wie keine Ähnlichkeit.

    Deshalb nochmals: alles stiff upper lip?

    Die Antwort ist: Jein. Sicher nicht nur. Das zeigt eindrücklich der jüngste Riserva des Tastings. Für «Nasentrinker» ist der 2012 derzeit ein absolutes Top-Erlebnis. So offen, zugänglich, süss die Kirschfrucht. Klar ist das blutjung, was der superstraffe Gaumen mit einem gewaltigen Säurekick dann auch unmissverständlich deutlich macht (it’s Sangiovese, Baby!). Es würde mich wenig wundern, wenn sich dieser Wein bald einmal verschliesst. Das Potential jedenfalls ist gewaltig. Das gilt auch für den 2011. Nur dass der dann eben zeigte, dass Biondi-Santi auch anders kann. Hier hat das Warten beziehungsweise das Verschliessen begonnen. Das ist dann schon eher stiff upper lip – vielleicht so etwas wie der schüchterne Bruder des 2012ers… Und ja: Der Spassfaktor ist heute beim 2012 sicher höher.

    Den 2010er lasse ich aus – ein Korkfehler war es wohl nicht, aber eine fassige, muffige Unsauberkeit, die mal mehr, mal weniger präsent war. Pure Eleganz der 2006er, da ist nichts Schweres, Leichtigkeit statt Kraft. Und ja, auch da halt noch… geradezu schmerzhaft jung. Einen solch trockenen Gaumen hatte ich nach einem Schluck Wein schon lange nicht mehr. Aufmachen würde ich ihn heute trotzdem schon, wenn ich ihn denn im Keller hätte. Ich mag diese Kombi auf feinst unterreifen Noten, Sauerkirschen, Tabak, Lakritze und Anis. Da kann der Gaumen meinetwegen sein, wie er will…

    Ab zu den älteren Jahrgängen: 1995, 1990, 1983, 1975 und 1971. Die lassen sich grob einteilen in die, die es mit Stoff, Kraft, Druck und Struktur machen: 1995, 1990 und 1975. Da ist noch lange nicht Schluss, wobei der 95er geradezu eine jüngere Version des 75ers zu sein scheint.
    Die zweite Kategorie: Diejenigen, die vor allem in der Nase mit einer wunderbaren, offenen, reifen, geradezu balsamischen Süsse auftrumpfen. 1983 und 1971. Auch hier könnte man sagen: Eigentlich ist 1983 eine jüngere Version des 1971ers. Ob die kräftige Säurestruktur einem passt oder ob man sie als unharmonisch empfindet, ist wohl einfach Geschmackssache. Ich mag sie. Und irgendwas muss einem Wein ja auch ein langes Leben bescheren. Und again: It’s Sangiovese, Baby! Allzu lange würde ich auf diese Weine aber nicht mehr warten – hätte ich sie im Keller, sie wären jetzt fällig.
    Abschliessend nochmals die Frage: alles stiff upper lip? Manchmal vielleicht schon… so ein bisschen. Aber gottseidank nicht immer. Ein Einhorn ist und bleibt Biondi-Santi alleweil. Ein Einhorn mit einer( manchmal) etwas steifen Lippe…

    So. Nach diesem Ausflug ins Reich der (Fabel-?)Tiere hier die Punkte für die Weine des Abends in der Übersicht:

    Tenuta Greppo (Biondi-Santi) Brunello di Montalcino Riserva 1990 96
    Tenuta Greppo (Biondi-Santi) Brunello di Montalcino Riserva 1975 96
    Tenuta Greppo (Biondi-Santi) Brunello di Montalcino Riserva 2012 95
    Tenuta Greppo (Biondi-Santi) Brunello di Montalcino Riserva 1983 95
    Tenuta Greppo (Biondi-Santi) Brunello di Montalcino Riserva 2006 94
    Tenuta Greppo (Biondi-Santi) Brunello di Montalcino Riserva 1995 94
    Tenuta Greppo (Biondi-Santi) Brunello di Montalcino Riserva 2011 93
    Tenuta Greppo (Biondi-Santi) Brunello di Montalcino Riserva 1971 93

    In diesem Sinne: liebe WeinfreundInnen – euch allen wünsche ich gute Festtage. Bleibt gesund.

  2. Veröffentlicht von Alexander Ulrich am 27. November 2020 um 18:47

    Ein ausserordentlich guter Komentar und Beschreibung dieser Weine. Ich war ja mit dabei und muss gestehen, es ist sehr schwierig zu verkosten. Durch die ewig hohe Säure wirkten die Weine sehr kurz im Gaumen, einzig der Brunello Annata 2009 empfand ich als im Moment sehr guten Wein.
    Ich warte ja gerne auch längere Zeit auf Trinkreife, jedoch 30-40 Jahre empfinde ich als nicht zeitgemäss. Es ist wie es ist, die aufgerufen Preise sind sehr hoch. Man muss diese Weine verstehen können, und dann glaube ich gerne an diesen Mythos Biondi Santi. Ich werde bei Gelegenheit weiter probieren und hoffe auf grössere Erlebnisse.
    Vielen lieben Dank Baschi für deinen perfekten Bericht.

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