Der Bericht über ein denkwürdiges Tasting von 1992 – 2012, fünf Jungvögel „Second Flight“ und drei Jahrgänge vom weissen Adler, sowie der Versuch, den Screaming Eagle nicht nur auf seinen Preis zu reduzieren, sondern auf das was er wirklich ist: Einer der genialsten Weine der Welt.
Frauenpower und Parker
Die Sache begann eigentlich ganz unspektakulär. Die Liegenschaftsmaklerin Jean Phillips kaufte das rund 20 Hektar grosse Grundstück östlich von Oakville 1986. Anfänglich schien sie mehr begeistert von der prächtigen Aussicht als vom Potenzial, welches im Rebbergen steckte. Diese waren hauptsächlich bepflanzt mit verschiedenen Lagen Cabernet Sauvignon und Riesling. Die Trauben verkaufte sie damals an lokale Wineries. Philipps Ambitionen entwickelten sich aber, und sie wollte auch ihren eigenen Wein produzieren. Dafür ergänzte sie den Rebbestand mit mehr Cabernet Sauvignon und zusätzlich Merlot sowie etwas Cabernet Franc.
Jean Phillips war eine gute Freundin von Gustavo Dalla Valle, und sie fragte ihn an, ob seine damalige Winemakerin Heidi Barett sich nicht ein wenig um ihren Screaming Eagle kümmern könnte. Sie denke, dass man mit dem 92er beginnen könnte, und dies ihrer Einschätzung nach einen ordentlichen Wein geben müsste. Man erzählt sich die schöne Anekdote von Heidi, wie sie ganz stolz die Fassmuster vom 92er Maya und vom 92er Screaming Eagle ihrem Ehemann Bo nach Hause brachte und meinte, sie könne sich einfach nicht entscheiden, welches der bessere Wein sei, denn beide seien verdammt gut…
Mitte der Neunzigerjahre war es soweit und der erste Jahrgang mit lediglich 2000 Flaschen kam auf den Markt. Und nicht nur Barrett selber fand den 92er verdammt gut, auch Robert Parker adelte das Erstlingswerk mit 99 Punkten. Der Adler hatte seinen Geburtsschrei hinter sich und stieg zusammen mit den Preisen in noch nie dagewesene Höhen empor. Der Rest ist Geschichte.
Das Frauenpower Duo Phillips/Barrett harmonierte prächtig. Sie konzentrierten sich weiterhin nur auf die eine, kleine Parzelle in ihrem Vineyard. Rund 80% der Trauben wurden weiterhin verkauft. An wen eigentlich? Da müsste man mal nachfragen, ob sich noch irgendwo „kleine Adler in anderem Gefieder“ auf dem Markt befinden? Die Produktion überstiegen nie 10‘000 Flaschen pro Jahr. Alles blieb minimalistisch und damit auch mysteriös. Während andere Napa Weingüter sich regelrecht mit schweren Flaschen und speziellen Gravuren übertrumpften, blieb Screaming Eagle immer eine bescheidene kleine 75 cl Bordeaux Normflasche, ausgestattet mit einem Briefmarken grossen Etikette und schlichter roter Kapsel. Auf der Rückseite der Jahrgang und die nötigsten gesetzlichen Angaben. Keine Website, keine Besuche, keine Events. Keep it simple and stupid (und vor allem rar).
Die Kroenke Aera
Das Ganze lief so bis 2006, als Screaming Eagle an die Multimilliardäre Stan Kroenke und Charles Banks verkauft wurde. Jean Phillips kommentierte den Verkauf damit, dass Kroenke einer der grössten Screaming Eagle Liebhaber sei. Dass er ihr Weingut weiterentwickeln will, und dass er ihr ein Angebot unterbreitet habe, welche sie einfach nicht mehr ausschlagen konnte. Mit den neuen Besitzern (ihnen gehört übrigens auch das Santa Barbara Weingut Jonata) löste Andy Erickson als neuer Winemaker auch Heidi Barrett ab. Ihm zur Seite stand neu Michel Rolland. Nur drei Jahre später beendete Co-Besitzer Banks sein Engagement und kaufte unter anderem die legendäre Mayacamas Winery und das bekannte Weingut Mulderbosch in Südafrika. Kroenke amtet fortan als alleiniger Besitzer. Während der Kroenke Ära vergrösserte sich Screaming Eagle, und ein Grossteil der Weinberge wurde neu bepflanzt. Man kündigte die Lieferverträge und die Mengen erhöhten sich dem entsprechend. 2006 wurde mit dem „Second Flight“ erstmals ein Zweitwein (Cabernet Sauvignon und Merlot) produziert. Die Mengen sind ungefähr identisch zum Estate Cabernet. 2010 komplettierte schlussendlich der Sauvignon Blanc in einer Mikro Auflage von wenigen Hundert Flaschen das Screaming Eagle Portfolio.
2009 stiess Nick Gislason, ein junger talentierter Winemaker zum Team und amtete als Ericsons Assistent, bevor er ihn 2011 ablöste. Der Kreis zu Heidi Barrett schloss sich insofern, dass Andy Erickson heute (unter anderem) Winemaker auf Dalla Valle ist. Gislason seinerseits ist ein Detailfanaktiver und achtet auf den perfekten Lesezeitpunkt. Und dieser kann sich über einen Monat erstrecken. Will heissen, dass praktisch Reihe für Reihe separat über mehrere Wochen gelesen wird. Die klimatischen Bedingungen sind bei diesem Vineyard sowieso speziell und erlauben eine viel frühere Ernte. Nicht selten kommt es vor, dass auf Screming Eagle die Lese beendet ist, während sie beim Phelps Backus, dem Nachbar Vineyard, noch gar nicht begonnen hat. Zurzeit von Heidi Barrett setzte man auf Screaming Eagle maximal 50% neue Barriques ein. Dieser Anteil stieg bei Andy Erickson auf über 80% und senkt sich nun unter der Verantwortung von Gislason wieder auf rund 70%. Screaming Eagle ist immer ein Blend von rund 80% Cabernet Sauvignon ergänzt mit Merlot und Cabernet Franc.
Das günstigste und das teuerste Tasting
Natürlich kommt man bei Screaming Eagle nicht darum herum über die astronomischen Preise zu sprechen. Kurz und klar: Der Preis bestimmt die Nachfrage, und die ist entsprechend gross. Es gibt keinen betriebswirtschaftlich logischen Grund, wieso die Weine günstiger verkauft werden sollen. In einigen berühmten Weinregionen erleben wir ähnliche exorbitante Beispiele. Im Bordeaux etwa Chateau Le Pin oder Petrus. Im Burgund sind es Einzellagen der Domaine de la Romanee Conti und Henri Jayer und im Rhonetal erreicht Jean Louis Chave mit seinem Cuvee Cathelin ähnliche Preise. Einer muss schliesslich der teuerste sein, und im Napa Valley ist es seit über 20 Jahren der Überflieger Screaming Eagle.
Also konkret, wie tief müssen Sie in die Tasche greifen um an eine dieser Raritäten zu kommen? Beim Second Flight sind Sie mit 400 – 600 Dollar pro Flasche dabei. Somit ist dieser Zweitwein teurer als viele grosse Napa Kultweine wie Araujo, Colgin, Shafer, Lokoya, Bryant Family, Dominus, Maya und viele andere. Für einen richtigen Screaming Eagle wird’s etwas kostspieliger. Los geht es mit etwa 2000 Dollar pro Flasche. Für die 100 Punkte Boliden reicht meistens das Doppelte nicht, und für den Erstlingsjahrgang 1992 müssen Sie 6000 Dollar auf die Theke legen. Völlig absurd sind die Preise für den Screaming Eagle Sauvignon Blanc. Wer tatsächlich 3000 Dollar für einen banalen Weisswein ausgibt, sollte das wirklich mal bei seinem nächsten Psychiater Besuch vertrauensvoll ansprechen….
Was tun also, wenn man trotzdem mal Screaming Eagle live erleben möchte? Man besucht unser Tasting. Das teuerste und gleichzeitig das günstigste seit es MYBESTWINE.CH gibt. Wie das? Ein Ticket kostete CHF 3000.- pro Person. Ungefähr gleich viel wie durchschnittlich eine Flasche Screaming Eagle. Der Gegenwert ist aber massiv höher. Denn statt einer Flasche degustiert man sämtliche Jahrgänge von 1992 – 2012 inklusive dem Second Flight von 2006 – 2010. Kulinarisch wurden die Weine auf ebenso hohem Niveau begleitet von Franz Wiget uns seinem Team im Restaurant Adelboden Steinen. Für die Flaschen sorgte einmal mehr Eugen Haefliger. Der US Winefreak ist stolzer Besitzer einer kleinen Screaming Eagle Allokation. Er kaufte diese Flaschen nicht als Kapitalanlage oder Spekulationsobjekt sondern führte diese einmalige Sammlung ihrer wahren Bestimmung zu.
Der Event war in Kürze ausgebucht und die Warteliste zum Bersten voll. Wo wir normalerweise immer mit vier bis acht Absagen rechnen, passierte diesmal überhaupt nichts. Niemand war verhindert, keine unverhoffte Grippe, kein einziger Platz wurde frei. Wie immer, richten wir unsere Verkostungen auf 18 Personen auf. Doch dann bekam einer Wind von dieser Veranstaltung. Es war Armand de Maigret, Screaming Eagle’s Estate Manager. Er schlug uns vor, dass er noch zwei zusätzliche Jahrgänge vom Sauvignon Blanc im Handgepäck verstaute, und zu uns rüber fliegen würde. Deal! Unser erstes Tasting mit 19 Personen und einem Line-Up das möglicherweise weltweit einmalig war.
2011 – 2013 Screaming Eagle Sauvignon Blanc
2006 – 2010 Screaming Eagle Second Flight
1992 – 2012 Screaming Eagle
2011 | Screaming Eagle Sauvignon Blanc | 16/20 | austrinken |
2012 | Screaming Eagle Sauvignon Blanc | 16/20 | austrinken |
2013 | Screaming Eagle Sauvignon Blanc | 16.5/20 | austrinken |
Armand de Maigret dämpfte die Erwartungen bereits beim Einschenken dieses ultra raren Trios. Sie produzierten rund 30 Kisten (!) für Freunde und die besten Kunden. Zu «relativ» vernünftigen Preisen. Was danach passierte, sei ihm selber peinlich, und nie die Absicht gewesen. Ich gehe solch exzessive Fälle immer mit der gleichen Einstellung an: «Der Wein kann nichts dafür, dass für ihn 3000 Euro und mehr hingeblättert wird».
2011 Screaming Eagle Sauvignon Blanc zeigt sich praktisch farblos, Pfirsich, Stachelbeeren, Äpfel. Gute Säure, recht voluminös im Gaumen mit schöner Länge. Etwas exotischer wirkt 2012 Screaming Eagle Sauvignon Blanc. Kräuter, Pfefferminze und Pfirsich. Tiefere Säure als 2011 und etwas belanglos «breit». Mehr Holzeinfluss scheint 2013 Screaming Eagle Sauvignon Blanc ausgenommen zu haben. Röstiges Bouquet, Krokant, Pfirsich, etwas Honig. Allgemein fehlt es allen drei etwas an Frische, an knackiger Säure. Komponente, die eigentlich typisch wären für einen verspielt, beschwingten Sauvignon Blanc.
2006 | Screaming Eagle Second Flight | 17.5/20 | tr – 2030 |
2007 | Screaming Eagle Second Flight | 18+/20 | 2018 – 35 |
2008 | Screaming Eagle Second Flight | 17.5/20 | tr – 2030 |
2009 | Screaming Eagle Second Flight | 18+/20 | tr – 2030 |
2010 | Screaming Eagle Second Flight | 18.5+/20 | 2020 – 40 |
Ein sehr schöner Wein mit offenem, dunkelbeerigem Bouquet ist 2006 Second Flight (65% Cabernet Sauvignon, 35% Merlot) Die erste Ausgabe des Zweitweins kommt mit geschmeidiger Frucht daher. Dazu Kandis- und Schokoladenaromen. Spürbar die jungen Reben, die noch nicht die nötige Komplexität an den Tag legen. Aktuell etwas alkoholisch, kann sich aber sicher noch steigern. Beim 2007 Second Flight (60% Cabernet Sauvignon, 40% Merlot) spürt man das generell grössere Jahr. Dunkelbeerig, Rauch, Schoko/Merlot Touch. Auch hier verfeinert der Merlot stark die Cabernet Basis. Alle Komponente wirken noch sehr jung, mit gutem Potenzial.
Wenn ich hätte und jetzt trinken «müsste» würde ich mir 2008 Second Flight (55% Cabernet Sauvignon, 45% Merlot) zu Gemüte führen. Er befindet sich mit seiner extrovertierten, fruchtgetriebenen Nase mit Cassis, Himbeeren, Brombeeren, Mocca und Minze bereits in seiner ersten Trinkreife. Zeigt im Gaumen eine feine Mineralität und kommt bereits erstaunlich ausgewogen daher. Sehr gut gefiel mir auch 2009 Second Flight (60% Cabernet Sauvignon, 30% Merlot, 10% Cabernet Franc). Er wirkt etwas defensiver, würziger im Bouquet. Die süssen dunklen Beeren sind etwas im Hintergrund. Im Gaumen gradlinig strukturiert, schlanker und frischer als seine Vorgänger. Das Quäntchen Cabernet Franc verleiht dem Wein mehr Persönlichkeit.
Am meisten Potenzial und Kraft strahlt 2010 Second Flight (60% Cabernet Sauvignon, 25% Merlot, 15% Cabernet Franc) aus. Wunderbar offenes röstiges Bouquet. Ein Schwall von Brombeeren, Cassis, Himbeeren, Kakao und Lakritze. Druckvoller Wein mit viel Stoff und massiven Gerbstoffe.
1992 | Screaming Eagle | 19.5/20 | austrinken |
1993 | Screaming Eagle | 19/20 | tr – 2025 |
1994 | Screaming Eagle | 19/20 | tr – 2025 |
1995 | Screaming Eagle | 20/20 | tr – 2025 |
1996 | Screaming Eagle | 18.5/20 | tr – 2025 |
Und dann wurde es dramatisch… 1992 Screaming Eagle. Die Geburt eines Mythos. Einer der meistgesuchten Weine weltweit. Armand erklärte, dass sie auf dem Weingut selber noch genau 16 Flaschen davon horten. Eugen Haefliger musste für diese Flasche ganz tief in die Tasche greifen, seine Allokation war erst Ende der 90er Jahre sichergestellt. Er hatte Glück mit diesem Nachkauf. Die Flasche war perfekt. Keine Selbstverständlichkeit bei solchen önologischen Jagdtrophäen. Der Wein wirkte reif in der Nase. Eher defensiv, aber extrem feingliedrige Aromen nach Tabak, Zedern, Pflaumen, Kaffee, Minze und Rosinen. Im Gaumen ein Ausbund an Eleganz und Geschmeidigkeit. Wunderbar strukturiert und harmonisch gealtert. Die ersten rosinigen Anzeichen verdeutlichen, dass er aber seinen Höhepunkt überschritten hat und damit knapp die Maximalnote verpasst.
Überrascht war ich vom grossartigen 1993 Screaming Eagle. Dieser kam erstaunlich frisch daher. Röstiges Bouquet, dunkle süsse Beeren, etwas Kirschen, Zedern, Kokos und Mocca. Feingliedrig, elegant im Gaumen und hält sich immer noch ein paar Jahre auf diesem phänomenalen Niveau. Der Screaming Eagle Chef bestätigte einmal mehr, dass es sich nach wie vor lohne, grosse Weine aus kleinen Jahren zu suchen, sofern er ein toller Winemaker dahinterstand. Bei Heidi Barret war das auf jeden Fall so!
Auch 1994 Screaming Eagle zeigte sich in Top-Form. Wie viele andere Flaschen schien es, als hätten sie genau auf diesen einen Moment gewartet… Voluminöses Bouquet, Brombeeren, Casses, Vanille, Kandis, Gänseleber und Mocca. Mittelschwer für 1994, dafür umso mehr Eleganz und Länge. Diese Erkenntnis wird je länger die Verkostung dauert immer klarer. Screaming Eagle ist nie Wucht oder Power. Da steht eindeutig Eleganz und Charme im Vordergrund.
1995 Screaming Eagle wirkte etwas zurückhaltender als jene im letztes Jahr in München (endlich habe ich eine Vergleichsflasche im Hinterkopf…). Trotzdem ist der Wein absolute Weltklasse. Extrem fein strukturiert, man spürt jede Traube. Eine Süsse aus der Tiefe, begleitet von milden Barriquearomen. Geschliffen im Gaumen, top balanciert und mit atemberaubender Länge ausgestattet. Ein Traum!
Etwas leichter dafür 1996 Screaming Eagle. Der Jahrgang gibt dem Wein nicht ganz die gewünschte Konzentration. Denn die Frucht ist immer noch wunderbar präsent. Cassis, Minze, Brombeeren, Torff, Schwarztee und Zedern im Bouquet. Im Gaumen «eher französisch» mit leicht mineralischer Note, etwas Zedern und Tabak.
1997 | Screaming Eagle | 18/20? | tr – 2030 |
1998 | Screaming Eagle | 18.5/20 | austrinken |
1999 | Screaming Eagle | 18+/20 | tr – 2040 |
2001 | Screaming Eagle | 20/20 | tr – 2035 |
2002 | Screaming Eagle | 20/20 | tr – 2030 |
Ein etwas zwiespältiger Eindruck hinterliess 1997 Screaming Eagle. Zweifellos ein grosser Wein mit blau- und scharzbeeriger Aromatik, schön ergänzt mit Mocca, Bisquit und Lakritze. Leider begleitet diesen 97er eine leicht flüchtige Säure, die ihn blockiert. Daher im Gaumen etwas breit strukturiert, nicht mit der gewünschten Tiefe und Länge dieses grossen Jahrgangs ausgestattet.
Dafür überzeugte 1998 Screaming Eagle mit viel Stoff und Volumen. Reife Aromen, würzig, etwas Pflaumen und Tabak. Eleganter Körper und tolle Länge für das bescheidene Jahr. Ein ähnliches Phänomen wie beim 1993er. Dem recht fülligen 1999 Screaming Eagle würde ich gerne nochmals zehn Jahre Ruhe gönnen. Aktuell kommt er opulent und süss daher mit schlaksigem Körper. Viel dunkelbeeriger Frucht und wenig Reife.
Jean Phillips verzichtete auf den 2000er. Weniger aus Qualitätsgründen, sondern aus einer schwierigen Lebensphase, welche nicht genügend Aufmerksamkeit für den Wein zuliess. Ich schnappte ein Gerücht auf, an welche Winery die Trauben geliefert wurden…
Bei 2001 Screaming Eagle wird’s spektakulär. Der Wein verströmt ein wunderbar edles Bouquet. Noble Creme Cassis Aromen, Tabak, Zedern und feine Kalknote. Der Körper überzeugt durch eine phänomenale Balance und Länge. Die Aromen halten vom ersten bis zum letzten Moment. Im unglaublich langen Abgang bündelt sich alles nochmals und der Wein streckt sich enorm. Blind könnte man auch auf einen 1990er Latour in Bestform tippen, einfach mit mehr Konzentration. Gigantisch!
Auf ebenso hohem Niveau (weil es einfach nicht besser geht…) erlebte ich 2002 Screaming Eagle. Wenn ich beim 01er Pauillac Parallelen sehe, ist sein Nachfolger der klare Napa Cab in absoluter Bestform. Explosives Bouquet nach Casssis, Brombeeren, Mocca, Expresso, gebrannte Creme, Lakritz, Minze, Feuerstein und exotische Gewürze. Fast zu viel Röstaromen? Vielleicht bei jedem anderen Wein. Für diesen bombastischen 2002er ist es absolut perfekt.
Ich schätze das sehr, wenn man ruhig und «nahe» bei solch monumentalen Weinen sein kann. Solche Momente erlebt man ganz selten und sind die Erfüllung unseres etwas verrückten Hobbys. Sven Fischer neben mir war ebenso so begeistert. Er meinte nur, dass er etwas ganz Anderes erwartet habe heute Abend. Doch was hier vor ihm stehe, beeindrucke ihn zu tiefst und mache fast ein wenig sprachlos. Dem ist an dieser Stelle nichts hinzuzufügen. Es war der Blick auf den heiligen Gral. Die Quintessenz unserer Leidenschaft.
2003 | Screaming Eagle | 18/20 | tr – 2030 |
2004 | Screaming Eagle | 19.5/20 | tr – 2035 |
2005 | Screaming Eagle | 17+/20? | tr – 2030 |
2006 | Screaming Eagle | 19/20 | 2020 – 40 |
2007 | Screaming Eagle | 19.5+/20 | 2020 – 40 |
Der 2003 Screaming Eagle ähnelt seinem 99er. Intensiv dunkelbeerig. Fast ein wenig opulent. Kirschen, Cassis, Brombeeren, Teer. Etwas molliger Körper. Auch ihm wird eine zehnjährige Schlankheitskur guttun.
2004 Screaming Eagle verkörpert genau wieder das, was wir suchen. Ein prachtvoll, ausgewogener grosser Cab. Viel Stoff, viel Reserven kombiniert mit einer traumhaften Balance. Dunkle Beeren spielen die erste Geige, herrlich begleitet von Kandis, Feuerstein. Im Gaumen schimmert die typische 2004er Urkraft durch. Ein Wein mit bemerkenswerter Tiefe. Jetzt in erster Trinkreife.
2005 Screaming Eagle entstand in der Wechselphase der Besitzer und Winemaker. Ein fast 100% reiner Cabernet Sauvignon. Leider überzeugte er mich nicht ganz. Klassische Cabernet Aromen, intensiv, und vollmundig. Aber leider etwas alkoholisch. Im Gaumen noch wenig entwickelt, relativ hart und unharmonisch. Ein leichter Trestergeruch begleitet den Wein im Abgang. Warten und hoffen.
Alles in Ordnung dagegen beim tollen 2006 Screaming Eagle. Natürlich noch viel zu jung und in einer Zwischenphase. Defensive scharzbeerige Aromen, Feuerstein und Gewürze. Im Gaumen breit, aber aufgrund des eher kühlen Jahres auch eine angenehme Frische ausstrahlend. Im Gegensatz zu 99 und 03 stützt hier die Säure besser. Nach dem fast reinsortigen Vorgänger fügte Andi Erickson dem 2006er über 15% Merlot hinzu. Screaming Eagle in der (Neu)Findungsphase.
Dann trat der phantastische 2007 Screaming Eagle ins Rampenlicht. Extrem präzise Cabernet Aromatik. Perfekt ausgereiftes Traubengut. Eine wunderbar dezenter Barrique-Einfluss. Multidimensionaler Körper. Enormer Tiefgang und Wahnsinns-Länge. „Pure Screaming Eagle“, ein „Naturwein“. Hier wurde nicht viel gebastelt. 77% Cabernet Sauvignon, 20% Merlot und 3% Cabernet Franc. Natürlich verdient der Wein die Maximalnote. Aber er ist noch dermassen jung. Falls ich ihn mal in seiner reifen Phase erlebe (in 10 – 20 Jahren) bekäme er dann wohl 21 Punkte … Deshalb die zurückhaltende Bewertungsvariante eines kommenden Jahrhundertweins.
2008 | Screaming Eagle | 18.5+/20 | 2020 – 40 |
2009 | Screaming Eagle | 19+/20 | 2020 – 45 |
2010 | Screaming Eagle | 19.5+/20 | 2025 – 50 |
2011 | Screaming Eagle | 18.5/20 | 2020 – 35 |
2012 | Screaming Eagle | 19.5+/20 | 2025 – 50 |
Beim letzten und jüngsten Flight blicken wir in die Zukunft von Screaming Eagle. Alle Jahrgänge verfügen über grossartige Anlagen. Sind extrem präzise ausgebaut und verfügen über eine Lebenserwartung von zwei bis drei Jahrzehnten. 2008 Screaming Eagle wirkt immer noch primärfruchtig und laktisch. Aufgrund des Frosts fiel der Merlot-Anteil in diesem Jahr gering aus. Der Wein ist daher massiv und die einzelnen Komponente noch weit voneinander entfernt.
Bereist harmonischer kommt 2009 Screaming Eagle daher. Mit zurückhaltender Frucht, zeigt er bereits schön eingebundene Säure und Gerbstoffe. Die feine Mineralität beschwingt, und gibt ihm zusätzliche Struktur. Ein Wein mit jungem Charme und trotzdem vielversprechenden Reserven.
Mit Vollgas zur Maximalwertung unterwegs ist 2010 Screaming Eagle. Wunderbar ausgewogen im Bouquet. Perfekt reife, süsse, dunkle Aromen. Dazu passend Gewürze, Krokant, Leder und Feuerstein. Kräftig, konzentrierter Körper mit gut integrierten Gerbstoffen. Phänomenaler, dichter Abgang. Braucht sehr lange Zeit und wird sich in seiner Reifephase bei den grössten Screaming Eagle Jahrgängen einreihen.
2011 wird allgemein als schwieriger, nasser Jahrgang beschrieben. Nur sollte man die einzelnen Weine und Lagen beachten und nicht auf Verallgemeinerungen vertrauen. Sonst entgehen (womöglich auch aus anderen Gründen…) einem solche Perlen, wie dieser herrliche 2011 Screaming Eagle. Aufgrund ihrer frühen Lese brachte das Team die Trauben trocken in den Keller. Süsse, dunkelbeerige Grundaromatik. Caramel, Kandis, Kalk, Teebaumöl und Gewürze. Mittelschwerer Körper, beschwingt, harmonisch. Wenig Ecken und Kanten. Scheint sich bereits etwas zu verschliessen und wird früh trinkreif sein.
Das Abschlussfeuerwerk dieser einmaligen Probe zündete 2012 Screaming Eagle. Intensiv, konzentrierte dunkle Beeren. Dazu edle Röstaromen (Krokant, Mocca). Etwas Jod, Gewürze und Teebaumöl. Im Gaumen fast likörhafte Konzentration und trotzdem nicht überladen. Typisch Screaming Eagle.
Das war sie. Diese denkwürdige Probe. Ein „One in a Lifetime“ Event. Kaum mehr zu wiederholen. Weltweit. Es war mir eine grosse Ehre hier dabei sein zu dürfen. Herzlichen Dank an alle Gäste. Ich werde diesen Abend nie vergessen. Einen besonderen Dank gilt Eugen Haefliger. Ohne ihn wäre dieses Tasting nicht möglich gewesen. Und ein grosses Kompliment an Franz und Ruth Wiget. Ihr habt zusammen mit eurem Team den Weinen die perfekte Bühne geboten. Es war schlichtweg grandios!
Tolle Story und gute Verkostung. Chapeau mein Lieber
Na vielen Dank dafür,dass Sie meinen Zeilen bez. Screaming Eagle veröffentlich haben. Ich finds (fands) schade, dass Herr Parker jun. Milllionen Menschen getäuscht hat, indem er Menschen Weine mit viel zu hohen Bewertungen zum Kauf von exklusiven Weinen geraten hat!
Ich sags deshalb, weil ich in meinem Leben wirklich sehr viele Weine aus den besten Weinregionen der Welt trinken durfte.
Es gibt (gab) meiner Meinung nach nur wenige Weine , die auf einer 100-P.-Skala mehr als 90 Punkte verdienen und ich denke sogar, dass Herr Parker ev. noch nie einen 100-P.-Wein hat trinken können!
Nun, bei unserer Degu im April 2018 hab ich auch nen Cheval-Blanc 1947 (95 P.) und einenRomanée-Conti 1921 (95 P. ) kredenzt.
Ueber den Pommard 1947, der jetzt immer noch nicht ganz auf dem Höhepunkt ist,gibts nur Legenden: drum hab ich diese Flasche – leider zu früh, aber ich lebe nicht mehr so lang — geöffnet und ich hab jedesmal Tränen in den Augen, wenn ich an diesen göttlichen Wein zurückdenke!
PS: Ein kalifornischer Wein , der mehr als 80 Punkte erreicht, ist so nebenbei ein sehr guter attraktiver Wein , der meistens aber viel zu teuer ist !!!
Hallo, ich bin ein grosser Weinliebhaber und hab vor ca 20 Jahren auch das Aufkommen kalifornischer Weine verfolgt.Erinnere mich noch daran, dass es in Kalifornien sehr gute ja grosse Weine geben soll wie Harlan Estate oder noch teurer Screaming Eagle.Wir haben dann mehrere dieser Weine probiert und waren überrascht wie gut einzelne Weine waren,auch wenn ich seither keine Weine aus Kalifornien neu dazugekauft habe.
Was aber interessant ist (war), noch mal einen Screaming Eagle (2001,ein wohl mittelmässiger Jahrgang) mit einem grossen Burgunder zu vergleichen, einen Pommard 1947 von Passerotte et Fils !
Der Screaming Eagle erhielt von den anwesenden Personen 85 Punkte, der Pommard 99+ Punkte,denn er war noch nicht auf seinem Höhepunkt!
Ich hab damals für den Burgunder ca. 50
Fr. bezahlt!
Wer für einen Screaming Eagle mehr als 100 Dollar verlangt,ist drum zu bemitleiden!
Hallo Herr Rohner,
ja Ihr Name ist in der Weinwelt, vor allem bei älteren Personen wie bei mir, noch bekannt. Umso mehr erstaunt mich Ihr Vergleich eines Pommard 1947 mit einem Screaming Eagle 2001. 2001 wahr übrigens in Kalifornien kein mittelmässiger, sondern ein sehr guter Jahrgang. Diese beiden Weine kann man doch nicht miteinander vergleichen, unterschiedliche Traubensorte(n), und vor allem der Altersunterschied. Aber das sollten Sie ja wissen.
Dennoch beste Grüsse
Walter Meier
Hallo Herr Meier,
danke für die Antwort, aber man kann Weine ganz unterschiedlichen Alters unterschiedlicher Region sehr gut vergleichen,wenn man will.
Ich habe viele Weine aus Kalifornien probiert – übrigens auch weisse – eigentlich schon damals nur, um zu beweisen, dass es in Kalifornien keine sehr grossen Weine gibt !
Und wenn ich den Pommard 1947, von Passerotte, neben einen Scr Ea stelle, unabh vom Jahrgang des Sc Ea ,dann ist der kalif. Wein halt nicht mehr als ein guter Wein, der nur deshalb so hoch bewertet wird, weil Parker das mit viel zu vielen Weinen – auch mit Weinen aus Bordeaux – tut !
Unter wirklichen Weinkennern ist die Skala,die Parker bei 50 P. beginnt – und es gab in den letzten Jahrzehnten auch Nachahmer ( Gabriel ,etc . ),die Menschen dazu verführten, Weine mit hoher Wertung zu kaufen, völlig unhaltbar!!!
Ich trinke normalerweine Weine,die zwischen 25 und 45 Punkte/100 erreichen !!!
Freundliche Grüsse
Albert Rohner
Mit Verlaub, aber was soll denn das für hanebüchener Vergleich??? Einen 1947er Pommard mit einem 2001er Califonier vergleichen???? Hallo???? Wer auf eine solche Idee kommt und einen ernsthaften Schluss ziehen möchte, kann doch nicht wirklich von sich selbst behaupten Kenntnis im Thema Wein zu haben!
Dear Sebastian,
Finally home!
Thank you for this beautiful article. As you can guess I trusted Google Translate to give me a clearer picture. Thank you for capturing Screaming Eagle so well.
Armand
Da gibt es den „Ring“ von Richard Wagner, ein Konzert von Led Zeppelin, die ewige Stadt Rom, die Geburt der Kinder…
…und dann gab es dieses „Once a Lifetime“- Tasting mit diesen monumentalen Weinen, die so einzigartig sind, dass es einen die Sprache verschlägt.
Herzlichen Dank Eugen, Baschi, Franz, Ruth
Ich freu mich schon auf die after Year Party 2017.
Sven