„Wir waren bei Werner Tobler in Hochdorf“. In den vergangenen Jahren war dieser Satz oft in meinen Reports zu lesen. Doch diesmal fehlt ein entscheidender Zusatz: Die Braui. Uschi Frapolli und Werner Tobler haben ihre Wirkungsstätte nach fast zehn Jahren verlassen. Die Nachricht erreichte mich nicht überraschend und ich habe Verständnis für diesen Entscheid. Natürlich stimmt es mich traurig, dass es die Braui, als quasi MYBESTWINE Homebase nicht mehr gibt.
Wir waren ein eingespieltes Team. Ein Event in der Braui? Schnell organisiert! Ich sagte Werni, wann wir kommen, wie viele Leute und welche Weine wir mitbringen. Ein Menuplan oder Zeitablauf? Vergiss es. « Den Tobler muss man machen lassen ». Und das Ergebnis war immer begeisternd. Es gibt viele grossartige Köche. Die meisten zelebrieren sich aber leider selber oder kochen für Punkterichter. „Cuisinier WT“ ist einer der wenigen, welcher immer für die Gäste und begleitend zu den Weinen kochen. Wie auch an diesem sommerlichen Freitagabend. Werner lud ein paar Freunde zum Geburtstag ein. Statt vor den grossen Braui Töpfen stand er in seiner Haushaltsküche, und die Gäste sassen nicht in der Beiz, sondern im Wohnzimmer. Sonst war eigentlich alles gleich. Gleich genial! „Der Typ muss einfach kochen“, dachte ich mir. „Kochen ist sein Leben“. Das spürt man bei jedem Gang und jedem Bissen.
Wichtig ist, dass Werni sich Zeit nimmt um wieder ganz gesund zu werden. Zu reflektieren und dann die richtigen Entscheide für die Zukunft zu fällen. „Es eilt nicht – nimm Dir Zeit, lieber WT“. Nach diesem Abend bin ich überzeugt: Der Tobler kommt zurück! Irgendwie, irgendwo, irgendwann…
Die Weine wurden im „Best Bottle“ Prinzip blind verkostet.
1995 | Domaine Raveneau Chablis les Butteaux | 16/20 | austrinken |
2000 | Domaine Raveneau Chablis les Butteaux | 16/20 | trinken – 2020 |
2000 | Domaine Raveneau Chablis Montee de Tonnerre | 16/20 | trinken – 2020 |
Ein spezieller Beginn mit drei Weissweinen der Domaine Raveneau. Diese Chablis hatte ich alle zum ersten Mal im Glas. Jeder kostet weit über CHF 100 die Flasche. Die Weine in ihrer Art haben sicher Fans sonst könnte man sie ja nicht zu diesen Preisen verkaufen. Ich tat mich sehr schwer mit ihnen. Mastig, schwerer Chardonnay. Oelig. Im Bouquet wirken sie alt. Haselnuss, Melisse, Jod, Seetang, ranzige Butter. Im Gaumen enorm breit. Wer davon zuviel beim Apéro erwichte, verabschiedete sich etwas früher. Guet Nacht!
1998 | Sine Qua Non Backward and Forward | 19/20 | trinken – 2020 |
2006 | Sine Qua Non Autrement Dit Rosé | 15/20 | trinken – 2025 |
Wie schwer die Chablis oben waren, beweist die Tatsache, dass der 1998 Sine Qua Non Backward and Forward (40% Chardonnay, 30% Roussanne und 30% Viognier) trotz seiner massiven Statur geradezu erfrischend daher kam… Kraftvolles Bouquet; Aprikosen, Himbeeren, Zitronengrass, Kokos und Vanille. Körperbetont, mit frischer, spritziger Säure, was den Alkohol gut verträglich macht. Bei 2006 Sine Qua Non Autrement Dit Rosé waren nicht alle Teilnehmer sicher, ob es überhaupt ein Rosé war. So dicht, üppig und intensiv. Fast 16 Vol% tun das ihrige dazu. Alkoholisch, Himbeergeist, viel Säure und massiv dicht. Unglaubliche Länge für einen Rosé. Wann trinkt man einen solchen Wein? Möglicherweise als Apéro vor einer Amarone Verkostung…
2000 | Bibi Graetz Testamatta IGT | 18/20 | trinken – 2020 |
2000 | Tenuta dell’Ornellaia Ornellaia | 17.5/20 | trinken – 2020 |
Alle sehnten sich also nach Rotwein und in Form zwei sehr schönen Toscanern wurden wir belohnt. Einerseits der 2000 Bibi Graetz Testamatta IGT (Sangiovese, Merlot, Cabernet Sauvignon. Voluminöses, reifes Bouquet. Blaubeerig, Pfeffer, Orangeade. Gute, frische Säure und eleganter Gaumenfluss. Toll im Bouquet auch 2000 Ornellaia. Heisse, reife Aromen. Blau- und schwarzbeerig. Viel Holz aber gut harmonierend. Im Gaumen dem schwierigen Jahrgang entsprechend etwas breiter strukturiert, mit kernigen Tanninen. Nicht ganz die Eleganz der grossen Jahrgänge.
1985 | Mouton-Rothschild | 19/20 | trinken – 2020 |
2002 | Cos d’Estournel | 17.5+/20 | trinken – 2035 |
Grossartig anschliessend der Übergang ins Bordeaux. Super, dass Sommelier Dani Juchli, den hochfeinen, seidig eleganten 1985 Mouton Rothschild, relativ früh am Abend präsentierte. Offenes, reifes Bouquet. Cremig, süss mit Zedern, Leder, Kräuter und Toast. Eine tolle, frische Flasche und ein Mouton für stille Momente. Grossartig! 2002 Cos d’Estournel immer noch rubin und sehr jung. Als langsam reifender 2002er zeigt er noch wenig Typizität. Primärfruchtig, dicht. Modern, recht röstig und gute Länge. Braucht Zeit um seine Charakterzüge zu entwickeln.
2004 | Palmer | 18/20 | trinken – 2030 |
1998 | Figeac (Magnum) | 18.5+/20 | trinken – 2040 |
1995 | La Mission Haut Brion | -/- |
Und weil es schön war, blieben wir gleich im Bordeaux mit 2004 Palmer. Sehr würzige Nase, animalisch, Leder, Feuerstein, Zedern. Im Gaumen schon recht weit, rund, fleischig und schön ausgewogen. Befindet sich in einer schönen, frühen Trinkphase. Vom Typ her eher ein St. Julien als Margaux. Der tolle 1998 Figeac kam zum Glück aus der Magnum, den davon gönnt man sich gerne mal ein grösseres Glas. Jugendliches, laktisch, würziges Bouquet. Immer noch viel Primäraromen, moderne Röstung, Rauch und Caramel. Im Gaumen frisch, zupackende Säure, voluminös und lang. Ein grosser Figeac, ganz am Anfang seiner Genussreife. Meine Kiste ist immer noch zu… Leider behinderte ein ganz leichter Kork den sonst formidablen 1995 La Mission Haut Brion.
2003 | Pingus Flor de Pingus | 15/20 ? | austrinken |
2004 | Pingus Flor de Pingus | 19/20 | trinken – 2030 |
Nicht klar kam ich mit 2003 Flor de Pingus. Völlig verhaltender Wein mit grüner, giftiger Nase. Peperoni und Cornichon. Aggressive Säure und kantige Tannine im Gaumen. Ein völlig „verwirrter“ Wein oder eine fehlerhafte Flasche. Denn wenn man den 2004 Flor de Pingus daneben erlebt, weiss man wie toll dieser 100% reine Tempranillo sein kann. Grossartige Nase. Schwarzbeerig, Bittermandeln, Amaretti, Toast, Vanille. Im Gaumen samtig, edel strukturiert. Eleganter Gaumenfluss. Vollmundig und sehr lang im Abgang.