Tartuffo und Piemontesische Weinraritäten: Schnupperkurs

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Tanti Auguri! Marcello Botti wurde 50. Ein Geburtstag in seiner Lieblingsweinregion: Dem Piemont. Da die Langhe nicht gerade um die Ecke liegt, feierte Botti gleich mal fünf Tage lang und reiste mit seiner Truppe kreuz und quer durchs Piemont. Weinproduzenten Besuche, tolles Essen, Trüffelmarkt in Alba und Wellness im Hotel. Normalerweise füllen Piemontbesucher ihren Kofferraum bei der Heimfahrt kräftig. Nicht so Marcello. Er transportierte Dutzende Flaschen (v.a. Magnums) aus seinem Keller nach Monforte und in die entsprechenden Restaurants. In weiser Voraussicht, dass nicht alle Gäste fünf Tage Nebbiolo und Barbera überstehen, entschied er sich für eine internationale Weinauswahl (ein weiterer Bericht dazu folgt später an dieser Stelle). Auf dem Bild: Das Geburtstagskind mit seiner bezaubernden Gattin Gabriela.

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Der letzte Abend allerdings galt ganz den Piemontesischen Weinraritäten aus über 50 Jahren. Passend dazu ein traditionelles Trüffel Menu im Restaurant Ca d’Linet in Coazzolo. Chef und Tartuffo Experte Maurizio fand in der Nacht zuvor einen über 200 Gramm schweren weissen Trüffel, den er uns über Carpaccio, Spiegelei und Tagliolini hobelte. Maurizio hatte sichtlich Spass an uns, und weckte um Mitternacht sogar noch seine zwei Trüffelhunde für einen Gratis Schnupperkurs in Sachen Knollensuche. Die beiden Supernasen schienen aber dermassen aus dem Häuschen ob so viel Trüffelaromen um sie herum. Kein Wunder – bediente sich doch fast jeder Gast zum Abschied noch aus Maurizios privatem Trüffel Take-Away.

Ein lecker traditionelles 10 Gang Menu, 200 gr weissen Trüffel, Weinraritäten aus einem halben Jahrhundert und eine brasilianische Küchenchefin! Piemont Herz, was willst Du mehr…? Grazie Marcello!

1958 Giacomo Borgogno & Figli Barolo Riserva 10/20 vorbei
1943 Giacomo Borgogno & Figli Barolo Riserva 11/20 vorbei
1964 Poderi Oddero Barolo 10/20 vorbei
1964 Gaja Barbaresco 12/20 vorbei

 

2014 11 piemont1

Leider keine Überlebenden im ersten Flight… Schon die trübe, rostige Farbe beim Einschenken liess auf nichts Gutes mehr hoffen. Einzig der 1964 Gaja Barbaresco bestätigte das „piemontesische Säure Klische“. Sogar in einem toten Wein schwebte da noch ein Säure Gespenst im Glas herum. Zu dieser Serie fällt mir leider nichts anderes ein, als dass kürzlich in Barbaresco ein alter Sarg gefunden wurde…

1982 Gaja Barbaresco 17/20 vorbei
1971 Prunotto Rabaja Barbaresco 20/20 austrinken
1985 Giuseppe Mascarello e Figlio Monprivato Barolo -/- austrinken
1947 Giacomo Borgogno & Figli Barolo Riserva 18/20 austrinken

 

2014 11 piemont2Dramatisch besser wurde es in der zweiten Serie. Schön präsentierte sich der pflaumig, würzige 1982 Gaja Barbaresco. Anfänglich etwas muffig, legte er im Glas noch ansprechend zu. Tabak, Moos, Erde und immer noch feine Kirschen Noten. Elegant im Gaumen mit lebendiger Säure. 1971 Prunotto Rabaja Barbaresco ist „Old Fashion“ Piemont Traumstoff vom Feinsten. Der Wein faszinierte mich von Anfang an. Ein wunderbar zärtlicher, feingliedriger Barbaresco. Herrlich gereift und jetzt in perfekter Reife. Es scheint, als wäre der 2014 11 piemont8Wein für heute Abend gemacht. Rauch, röstige Aromen, Trüffel, Erde, Leder und Stroh. Seidenfein im Gaumen, dermassen leicht und mit atemberaubender Tiefe. Gigantisch! Man bedenke der Techniken jener Zeit. Der Preis damals und was wir jetzt hier im Glas erleben. Ich war zuerst bei 18/20, stellte das Glas zur Seite und trank den Rest erst nach der nächsten Serie. 19/20. Beim Fotografieren entdeckte ich ein halbes Dezi in der Flasche…20/20. Weiss Gott, was noch passiert wäre, hätte ich mir den verbleibenden Schluck von Thomas Krieg neben mir ergattern können….

Grossartig auch der 1947 Giacomo Borgogno & Figli Barolo Riserva, mit mineralischer Note, Torf, Leder. Fein abgerundet, immer noch lebendig und mit toller Länge ausgestattet. Ohne Bewertung, da es sich eindeutig um eine schlechte Flasche handelte, blieb der oxydierte, muffige 1985 Giuseppe Mascarello e Figlio Monprivato Barolo.

  

1988 Elio Altare Arborina Barolo 18.5/20 austrinken
1989 Roberto Voerzio Cerequio Barolo 17/20 austrinken
1990 Domenico Clerico Ciabot Mentin Ginestra Barolo 13/20 vorbei
1989 Produttori del Barbaresco Asili Barbaresco Riserva 16/20 vorbei

 

2014 11 piemont3Ein Klassewein ist 1988 Elio Altare Arborina Barolo. Typische Nebbiolo Aromatik, immer noch dunkle Kirschen, Brombeeren, Teer, Gewürze. Super balanciert mit einer stabilen Spannung von Auftakt bis Abgang ausgestattet. Auch 1989 Roberto Voerzio Cerequio Barolo überzeugte mit viel Dörrfrüchten im Bouquet, etwas animalisch rustikal im Gaumen und sehr elegantem Abgang. Voll schräg war 1990 Domenico Clerico Ciabot Mentin Ginestra Barolo. Die Clerico Weine sind modern gemacht. So modern wie sein futuristischer Weinkeller vor Monforte, der eher an eine Raketenabschussbasis erinnert als an eine Cantina. Die Nase bereits mit Maggikraut überreif und ranzig. Im Gaumen dermassen Säure und Gerbstoffe. Auf den Mond damit! Da gefiel mir 1989 Produttori del Barbaresco Asili Barbaresco Riserva um einiges besser. Natürlich ein einfacher gestrickter Barbaresco, mit animalischen Noten. Dazu Feigen, Trüffel, Gewürze. Rustikal strukturiert mit leicht austrocknendem Abgang. Gut gereift.

 

1990 Gaja Sperss Barolo 17/20 austrinken
1990 Roberto Voerzio La Serra Barolo 18/20 austrinken
1989 Aldo Conterno Granbussia, Barolo Riserva 16/20? vorbei
1989 Gaja Barbaresco 18.5/20 austrinken

 

Gut, aber für den Jahrgang leicht enttäuschend erlebte ich 1990 Gaja Sperss Barolo. Im Bouquet Rauch, Teer, Wildfleisch. Wenig Frucht, etwas muffig. Zeigt schöne Reife und Grösse im Gaumen. Schwierige Flasche. Nachdegustieren? Wer hat? Spontan gefiel da 2014 11 piemont4der moderne 1990 Roberto Voerzio La Serra Barolo besser. Röstige Nase. Nuss, Popcorn, Kokos und Kaffee. Stoffig, zupackend im Gaumen und kräftig bis in den langen Abgang. Leider auch nicht in Bestform befand sich 1985 Aldo Conterno Granbussia, Barolo Riserva. Wenn man andere Notizen liest, zweifelt man auch hier an der Flaschenqualität oder der Herkunft/Lagerung. Ein würzig, reifer Barolo, mit Torf- und Trüffelnoten, etwas Kirschen und Rosinen. Schön, aber harmlos. Bleibt noch zum Abschluss der wunderbare, klassische 1989 Gaja Barbaresco Dunkelbeeriges, defensives Bouquet. Sultaninen, Minze, Tabak und Kirschen. Vollmundig, elegant im Gaumen. Präsentiert sich jetzt in seiner End-Trinkphase.

In Kürze online: Tanti Auguri Marcello Teil 2 und 12 Spitzenbaroli vom Prachtsjahrgang 2010.

4 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Walter Meier am 8. Dezember 2014 um 14:40

    Liebe Piemont- und Nebbiolofans ?
    Wie immer habe ich Ihren Bericht mit viel Interesse und Spass gelesen. Trotzdem bin ich aber sehr erstaunt, dass Sie so viele Weine mit austrinken und vorbei bewerteten. Ich trinke seit Jahren grosse Piemonteser aus den Jahren 1978/82/85 und 90 (nebst anderen) fast immer mit viel Genuss und ohne den Eindruck zu haben, dass diese Weine den Höhepunkt überschritten haben. Könnte es wohl auch daran liegen, dass Sie als Amerikafan die nicht immer einfach zu trinkenden Piemonteser anders empfinden ?

    • Veröffentlicht von Marcello am 9. Dezember 2014 um 22:08

      Guten Abend Herr Meier

      Hinsichtlich Barolo u. Nebiolo traue ich mir einige Kompetenzen zu, wenn es auch nicht unbedingt das Schreiben betrifft. Leider muss ich Sebastian Schwander in weiten Teilen der Kritik Recht geben. Die meisten Flaschen befanden sich tatsächlich auf dem Höhepunkt, oder waren (leicht) darüber. Bereits mit anderen Kollegen hatten wir im Piemont z.B. den schnell reifenden Jahrgang 1990 diskutiert. Schon vor einigen Jahren hatten wir dies bemerkt und dies auch mit Domenico Clerico diskutiert, der den 90er-Jahrgang auch nicht unproblematisch sah. Weiter spielt das Flaschenglück eine grosse Rolle – die meisten Flaschen lagen leider nicht seit „Geburt“ in meinem Keller.

      Der erste Flight war sicher „vorbei“ – wobei der Gaja 64 ja eigentlich gut sein soll, mein Flaschenglück mit diesem Wein hält sich jedoch in engen Grenzen (Kork, überreif etc.) Ob dann halt ein Gaja Barbaresco 1982 vorbei ist oder nicht liegt dann vielleicht im Auge des Betrachters – den Höhepunkt haben sicher nicht ganz getroffen. Die Kritik dazu ist jedenfalls passend und positiv.

      Domenico Clerico 90 am Höhepunkt vorbei. Sein Weine trinke ich sowieso eher jung. Produttori schätze ich ehrlicherweise etwas positiver ein, die sind in der Regel für eine lange Zeit gemacht. Beim Gran Bussia war ich ratlos – nicht zum ersten Mal.

      Beim grossen Rest der Flaschen steht sowieso „austrinken“ und da nehme ich Sebastian beim Wort und lasse mir zwischendurch eine schöne Flasche angedeihen.

      So wie ich ihn beim Genuss des 1971er Prunotto’s im siebten Himmel schweben sah, muss er den gereiften Nebiolo’s etwas abgewinnen können – ob es das Gleiche ist, was andere Mitgeniesser davon habe, ist damit nicht gesagt. Deshalb ist das Thema Wein so spannend und deshalb kehren wir immer wieder gerne zu Mybestwine zurück.

  2. Veröffentlicht von Marcello am 23. November 2014 um 15:00

    Lieber Baschi und liebes Piemontgrüppli

    Mein Dank gilt an allen, die diesen Tag zum Erlebnis werden liessen – Dein Bericht Baschi ist dazu ein schöner Abschluss. Ganz toll natürlich, dass uns auch Freunde begleiteten, welche eher zur „Anti-Nebiolo-Gruppel“…;-) gehören. Ich glaube eher nicht, dass sie sich in diesen Tagen bekehren liessen, deshalb mein grosser Repsekt, dass sie sich nicht beirren liessen und durchhielten bis zum Schluss. Ich hoffe die anderen Fläschchen haben etwas entschädigt. Als grosser Nebiolo-Fan muss ich aber auch sagen, dass mich v.a. der 1989er Gran-Bussia enttäuscht hatte, leider habe ich davon nur noch den 1985er im Keller und Gallonis Kommentar dazu lässt nichts Gutes erahnen (verkaufen?). Dem Sperss 1990 bin ich etwas wohlgesonnener, sollte sich jemand mit einem 1990er für ein Retasting mit Baschi melden, würde ich den 1989er dazu beisteuern……:-). Nochmals einen riesen Dank an alle – und Sven, gerne wieder!!!!!!! In den letzten Tagen hatte ich noch die Gelegenheit einige weitere Restanzen zu verkosten und es scheint doch, dass der 1982er ein ganz grosses Jahr war und sich die Topweine jetzt in einer schönen Reife befinden.

  3. Veröffentlicht von Sven Fischer am 21. November 2014 um 14:48

    Lieber Baschi, liebe Barolisti

    Man kann nicht genug schwelgen, wenn -wie erlebt- Wein und Essen so trefflich harmonieren wie am Fusse der Berge. Grossen Dank an Marcello für das einmalige Erlebnis und die Gaumenfreuden, den sonnigen Morgen mit Blick auf die Berge und die sehr gute Organisation. Wenn an sich einfache Speisen sich mit grandiosen lokalen Weinen so vermählen, schreit es förmlich nach Wiederholung, denn einigen Baroli sollte man in 10 Jahren wieder begegnen.

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