Weihnachtsstimmung im Old Swiss House Luzern. Das Christkind hat uns reichlich beschenkt mit zwei Dutzend Jahrgängen Cheval Blanc.
Lange Zeit führte Chateau Cheval Blanc das Klassement der Appellation St. Emilion zusammen mit Co-Leader Ausone an. Erst 2012 wurde aus dem Duo ein Quartett, denn seither gehören auch Pavie und Angelus zum erlauchten Kreis der St. Emilion Premier Grand Cru A. Das Chateau befindet sich im Nordwesten angrenzend zur Gemeinde Pomerol. Die knapp 40 Hektar Rebfläche sind bepflanzt mit rund 60% Cabernet Franc und 40% Merlot. Cheval Blanc gehört heute zum Luxusgüterkonzern LMVH (Louis Vuitton, Moet & Chandon, Hennessy und viele andere) rund um den französischen Multimilliardär Bernard Arnault. Die Gesamtleitung unterliegt Pierre Lurton, der uns Cheval Blanc und seine Weine im Millesima Video gleich selber vorstellt:
https://www.youtube.com/watch?v=4Yj2UlHmpR4
Als technischer Direktor amtet Pierre-Oliver Cloutet (erster eigener Jahrgang 2008), der selber an dieser eindrücklichen Probe in Luzern teilnahm. Organisiert wurde diese önologische Weihnachtsfeier von René Gabriel. 18 Cheval Blanc Freunde liessen sich diese rare Gelegenheit nicht entgehen, und trugen mit ein oder zwei Jahrgängen zwischen 1934 – 2002 zum önologischen Freudenfest im Restaurant Old Swiss House bei.
Die Weine wurden offen verkostet.
Serie A:
1934 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion (Baur au Lac Abfüllung) | 17/20 | vorbei |
1947 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 18/20 | vorbei |
1948 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion (Fourcas Laussac Abfüllung) | 19/20 | austrinken |
1955 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 18/20 | austrinken |
1962 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 15/20 | vorbei |
1966 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 17.5/20 | austrinken |
Wir starteten mit einer „Schweizer Abfüllung“! Ja, damals importierte man Cheval Blanc noch fassweise. Zu welchem Literpreis war leider nicht mehr nachzuforschen… 1934 Cheval Blanc wirkt anfänglich etwas muffig mit Schweiss, Dünger und Schuhcreme. Entwickelte sich aber im Glas erfreulich und brachte noch Pflaumen, Tabak, Rauch und Gianduja zum Vorschein. Nach wie vor ein überraschend, beschwingter, eleganter Wein. Natürlich erwartet man vom legendären 1947 Cheval Blanc Wunderdinge, die leider bei dieser Flasche mit mittlerer Schulter nicht eintrafen. Anfänglich noch schöne röstige Aromen im Bouquet (Nuss, Kaffee, Marzipan, Malz). Im Gaumen von Anfang an leicht oxydativ und staubig. Wenigstens starb er einen schnellen Tod im Glas. Die 18 Punkte beziehen sich nur auf die ersten zehn Minuten (beziehungsweise die letzten zehn Minuten des 47er Chevals…)
Entschädigt wurden wir mit einem wunderbaren 1948 Cheval Blanc mit cremig, fülligem Volumen. Tolles, würziges Bouquet mit Minze und nach wie vor beerigen Aromen. Auch grossartig entwickelte sich 1955 Cheval Blanc. Süsse Nase. Lakritze, Caramel. Dazu Trüffel, Torf und Wasabi. Viel Stoff im Gaumen, dunkelbeerig, gut konzentriert bis in den Abgang. Da konnte 1962 Cheval Blanc nicht Paroli bieten. Überreife, gekochte Aromen, etwas Tabak und Stroh. Dafür sorgte 1966 Cheval Blanc für einen stimmigen Abschluss dieser famosen Startserie. Auch er unterstreicht das immense Reifepotenzial dieses noblen St. Emilion Premier. Würziges Bouquet, Tabak, Rauch und Pfeffer. Immer noch präsente pflaumige Aromen und eine kernige Cabernet Franc Würze.
Serie B:
1970 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 17/20 | vorbei |
1971 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | -/- | |
1973 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 17/20 | austrinken |
1975 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 16.5/20 | austrinken |
1976 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 16/20 | austrinken |
1982 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 19/20 | tr – 2025 |
1970 Cheval Blanc zeigte sich defensiv in der Nase. Tabak, Tee, etwas Minze aber auch schon leicht oxydative Noten. Im Gaumen noch süsse „Restaromen“ aber auch bereits etwas Glutamat. Halt ein typischer, etwas kantiger Wein, wie so viele andere 70er Bordeaux. 1971 Cheval Blanc kam muffig ist Glas und entwickelte sich zu einem veritablen Kork. Meine letzte Begegnung (2014) lag bei 18.5/20 (austrinken). Ein grosser Wein aus kleinem Jahr ist 1973 Cheval Blanc. Erstaunlich offenes Bouquet. Holz, süss, Mocca, Pflaumen, Datteln. Etwas Chlor. Ein charmanter, reifer Schmusewein für dieses miese Jahr. In dunkler Robe erschient 1975 Cheval Blanc mit würzig, rustikalem Bouquet. Leder, Rauch und Tabak. Eigentlich ein kräftiger Körper aber unspektakulär. Unnötig harte Gerbstoffe. Charmant gealtert und nach wie vor schön zu trinken ist 1976 Cheval Blanc. Erdiges Bouquet mit Kräuter. Etwas Zimt, Torf und Trüffel. Nicht unähnlich zum 34er. Natürlich recht kurz im Abgang.
Eigentlich stand dieser prächtige 1982 Cheval Blanc in der falschen Serie, denn da ist gar nichts von dieser etwas staubigen 70er Rustikalität. Wunderbar reifes Bouquet. Pflaumen, Malz, Marzipan, Nuss und dazu passende Würznoten. Zeigt im Gaumen eine herrliche Balance und schöne Länge. Hat nicht das „Fett“ anderer grosser 82er, aber das macht dieser traumhafte Cheval mit seiner betörenden Eleganz weg.
Serie C:
1983 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 18.5/20 | tr – 2030 |
1985 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 19/20 | tr – 2025 |
1988 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 18/20 | tr – 2030 |
1989 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 18/20 | austrinken |
1990 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 20/20 | tr – 2025 |
1993 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion (Imperial) | 17/20 | austrinken |
Wenig Entwicklung zeigte 1983 Cheval Blanc mit defensiv, röstigem Bouquet. Etwas Putzfäden, erdige Aromen, Tabak, Trüffel, Gerste, Malz, Brennesslen, Minze, Schoko und Praline. Jugendlich im Gaumen. Prächtige Struktur, stoffig und lang. Der Wein befindet sich seit Jahren in einer (unglaublich) langen Zwischenphase. Dass es auch anders geht beweist 1985 Cheval Blanc. Denn dieser begeistert uns seit Jahren mit einer nicht enden wollenden Genussphase! Euch heute wieder völlig extrovertiertes, süsses Bouquet. Creme Cassis, milde Holznoten, Würze, Zedern und Kokos. Harmonisch ausgewogen im Gaumen mit toller Länge. Dieser hoch eleganter Cheval Blanc gehörte auch zu dem Tophits unserer „1985: Back to the Future“ Probe.
1988 Cheval Blanc scheint auch eher langsam unterwegs zu sein. Würziges Bouquet. Lebkuchen, Pfeffer, defensive Holznoten. Blau und schwarbeerig. Vom Jahrgang her kühler wirkend. Der Wein hat aber einen tollen Sprung gemacht und gefällt mir heute sehr gut. Kein Charmeur, aber ein erdig, rustikaler St. Emillion mit viel Stoff. 1989 Cheval Blanc springt völlig aus dem Glas. Mildes, laktisches Bouquet. Röstaromen, Lakritze, Nuss und Vanille. Die Frucht ist defensiv. Alles ist schon harmonisch bei mittler Intensität. Eine „Light Version vom 1985er. Nur leider nicht beim Preis. Apropos Preis: Da wäre noch 1990 Cheval Blanc mit seinem himmlisch feinen Bouquet. Konzentriert, würzige Aromen. Etwas Teebaumöl, Pflaumen, Bittermandeln, Kaffee. Wunderbar süss und reif in der Nase. Druckvoller Auftakt, und sehr geschmeidiger Körper, cremige Textur. Die Balance und Länge sind famos und absolut stimmig. Erstaunlich frisch für 1990. Pierre-Oliver Clouet beschreibt ihn als „der vielleicht vollkommenste Cheval Blanc der modernen Zeit“. Da bleibt nicht viel hinzuzufügen, ausser die Maximalnote. Daneben stand 1993 Cheval Blanc in der beeindruckenden Imperial Flasche. Würzig, röstiges Bouquet. Im Gaumen Mittelschwer mit recht harschen Tanninen. Dank Grossflasche und rustikalem Essen noch schöner Trinkgenuss. Normalflaschen sind bereits über dem Zenit.
Serie D:
1994 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 16.5/20 | tr – 2025 |
1995 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion (Magnum) | 18.5+/20 | tr – 2035 |
1996 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 16.5/20 | tr – 2020 |
1998 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 19+/20 | 2020 – 45 |
2002 | Chateau Cheval Blanc, Saint-Emilion | 16/20 | tr – 2030 |
Nie richtig gefallen hat mir 1994 Cheval Blanc. Rauchig, defensives Bouquet. Wenig Frucht. Tee, Würze. Die übermässige Säure machen den Wein hart und kantig. Die Tannine sind abweisend und wirken grün. Daher im Moment recht abweisend. Ob trotz bescheidenem Jahrgangspotenzial wirklich noch was möglich ist, bleibt fraglich. Keine Zweifel sind beim 1995 Cheval Blanc angebracht. Mollig, süsses Bouquet. Lakritze, Maubeeren, Cassis, Pflaumen, etwas Caramel. Jung, viel Stoff und Kraft im Körper. Komplexer, druckvoller Wein mit Reserven. Diese nur kurz geöffnete Magnum wirkt noch sehr jung. Anlässlich der vergangenen 95er Probe vom Best Bottle Cercle habe ich ihn noch höher bewerte.
1996 Cheval Blanc kann trotz seines attraktiven, röstigen Bouquets das bescheidene Jahrgangspotenzial nicht kaschieren. Etwas Leder, Stroh und Gewürze und bereits tertiäre Aromen im Gaumen bei übermächtigem Holzeinsatz. Leider zu wenig Substanz. Das Gegenteil davon ist der phänomenale 1998 Cheval Blanc mit dunklem Granat. Intensive blau- und schwarzbeerige Grundaromatik. Lakritze, Minze, Thymian und Leder. Der Wein verfügt über eine enorme Kraft und Länge. Die Aromen sind nach wie vor extrem jung. Der kräftigste Jahrgang der gesamten Probe. Ausgestattet mit einem immensen Potenzial. 2002 Cheval Blanc präsentiert sich mit wenig Charmes. Offenes, röstiges Bouquet. Pflaumen aber auch grüne Noten. Der Körper ist blockiert von strengen Gerbstoffen, die ihn austrocknen. Entwickelt sich also Richtung 1993/94er.
Gibt es nicht eine Bauernregel, die besagt, dass sich die wahre Grösse eines Terroirs gerade in schwachen Jahren besonders deutlich offenbart? Warum klappt das bei Cheval Blanc offensichtlich nicht so wirklich?
Lieber Baschi
Absolut d`accord mit deinen Bewertungen, wobei ich beim 1955 etwas euphorischer war. Eine wunderbare Standortbestimmung eines grossen Weingutes mit Überraschungen und einem grandiosem 1948.
Danke für die Organisation, Rene.