Zwei Dutzend Jahrgänge von Chateau Palmer aus fast einem Jahrhundert. Ein geniales Tasting von René Gabriel und Palmer-Mitbesitzer James Sichel.
General Palmer und die schwierigen Phasen
Obwohl Chateau Palmer 1855 als 3ème Cru klassifiziert wurde, ist es heute klar ein Super-Second und die etablierte Nummer zwei nach seinem Premier-Nachbarn Chateau Margaux. Palmer verkörpert durch seinen sehr hohen Merlot Anteil einen eher untypischer Médoc, aber geniesst vielleicht gerade deshalb eine riesige Fangemeinde weltweit.
Namensgeber General Charles Palmer kaufte das Gut 1814, vermochte es aber finanziell nicht zu tragen und verkaufte es 1836 wieder. Mehr schlecht als recht dümpelte Palmer durch das frühe 20. Jahrhundert bis es 1938 vom Syndikat „Société du Château Palmer“ unter Beteiligung der Familien Ginestet, Mähler, Gebrüder Kiefer (Sichel & Co) und Miailhe für eine Summe von 300.000 Francs übernommen wurde.
Aufschwung und die erfolgreiche Neuzeit
Bis heute halten die Erben des Mitbegründers Frédérick MählerBesse die Mehrheit am Besitz von Chateau Palmer. Anfang der 1990er Jahre wurde nochmals kräftig in Gebäude und Kellertechnik investiert. Die speziell geformten Gärtanks aus Edeltstahl sind vollständig computergesteuert.
Aus 52 ha Rebflächen (je hälftig Merlot und Cabernet Sauvignon sowie etwas Petit Verdot) werden heute rund 100.000 Flaschen des Erstweins und fast noch einmal so viele Flaschen Alter Ego produziert. Aktuelle Jahrgänge von Palmer kosten zwischen CHF 300 – 400 pro Flasche.
Das Beste aus fast einem Jahrzehnt
Die tolle Vertikale von den wichtigsten Palmer Jahrgängen von 1921 – 2009 organisierte René Gabriel. Palmer Mehrheitsaktionär James Sichel liess sich die Gelegenheit nicht entgehen und gesellte sich ebenfalls zur eindrücklichen Probe. Es war eine der letzten Events im legendären Sempacherhof. Riccarda und Hans-Peter Müller setzen sich in wenigen Wochen zur Ruhe. Höchste Zeit für einen Abschiedsbesuch.
1921 Chateau Palmer, Margaux
91
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Dez. 2021: Orange, braun. Erstaunlich nussig, malzig. Immer noch Restfrucht. Sogar etwas Himbeernoten. Tee, Torf, Tabak und Lehm. Auch im Gaumen noch lebendig, Säure ist präsent und das ganze endet burgundisch mild. Nur ganz leichte Essignoten. 100jährig. Grosser Respekt.
1957 Chateau Palmer, Margaux (Magnum)
90
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Dez. 2021: Sauber, klar im Bouquet. Pflaumen, Kandis, etwas Trester, Waldboden, Tabak. Enorm vielschichtig. Süsser Auftakt, Pinot Affinität. Nach wie vor prägnante Säure, die den Wein konserviert hat. Leicht mehlige Gerbstoffe, etwas kernig von mässiger Selektion zeugend. Immer noch sehr gut. Praktisch nichts überreifes. Ein standhaft, guter sehr reifer Palmer.
1971 Chateau Palmer, Margaux
93
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Dez. 2021: Röstig, milde Nase. Süsse beerige Noten und leicht floral. Nougat, Krokant, Schoko, Caramel und Vanille. Fürs Alter ein ziemlich kraftvoller Auftakt. Mild im Gaumen. Sehr lebendig. Wunderbar gealtert. Für diesen Jahrgang eine Offenbarung. Ein Merlot Jahrgang, das kam Palmer natürlich sehr entgegen
1975 Chateau Palmer, Margaux (Magnum)
85
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Dez. 2021: Leicht schnappsiges, überreifes Bouquet. Etwas muffig. Darunter Pflaumen, Trester und Stroh. Im Gaumen erstaunlich rund für den eher kantigen Jahrgang. Mittlere Intensität, immer noch vitale Säure aber halt auch unreife Grüntöne. Etwas austrocknend, leicht mehlige Tannine und stielig. Passend zum damaligen Qualitätsmanagement.
1979 Chateau Palmer, Margaux
-/-
Dez. 2021: Kork
1981 Chateau Palmer, Margaux
92
trinken – 2030
Dez. 2021: Cremig, röstige Nase. Nougat, Caramel. Darunter immer noch schwarz- und blaubeerige Aromen. Geschmeidig, mild im Gaumen. Eine runde Sache, schöner Wein aus einem unterschätzten (recht grossem) Margaux Jahr. Sehr charmant und elegant.
1985 Chateau Palmer, Margaux
95
trinken – 2030
Dez. 2021: Würzig, erdiges Bouquet. Süsse Merlot Expression. Etwas Pflaumen, Schoko, Rauch und Caramel. Gerbstoffe sind sehr fein, ausgewogene Balance. Stimmig zum feingliedrigen, eleganten 85er. Sehr schön entwickelt.
1986 Chateau Palmer, Margaux
92
trinken – 2030
Dez. 2021: Offenes, intensiv röstiges Bouquet. Süss, mit viel rot- und schwarzbeerigen Aromen. So viel Holz, dass sein Vanille Touch fast an einen grossen Spanier erinnert. Opulent im Gaumen. Normalerweise ist der Jahrgang generell ein Langsamreifer, bei diesem Palmer muss man aber definitiv auf nichts mehr warten. Kraftvoll und lang.
1988 Chateau Palmer, Margaux
92
trinken – 2035
Dez. 2021: Offenes Bouquet. Schwarz- und rotbeerig. Kandis, Bittermandeln, Tabak. Alles in einer sehr frischen Form. Zugänglich im Gaumen, mittelschwer. Leicht mehlige Gerbstoffe. Sogar in einem eher rustikalen Jahr bringt Palmer danke Merlot Power den nötigen Schmelz hin.
1989 Chateau Palmer, Margaux
97+
trinken – 2040
Dez. 2021: Ich musste zweimal prüfen, ob nicht das Glas verwechselt wurde, weil ich nie einen so frischen, kraftvollen, von reifer, süsser Frucht strotzender Wein erwartet hätte. Cassis, Brombeeren, Pflaumen und sehr balancierter Holzeinsatz. Wirkt zehnjährig. Zupackend, kraftvoll im Gaumen uns sehr lang. Noch nicht seinen Höhepunkt erreicht. Die Gerbstoffe reichen für lockere 20 weitere Jahre. Wahnsinn.
1990 Chateau Palmer, Margaux
95
trinken – 2030
Dez. 2021: Offenes, röstiges Bouquet. Süsse Merlot Aromatik mit Pflaumen, etwas Schoko und immer gute Fruchtunterlage. Im Gaumen zeigt sich dieser bezaubernde 90er fast zärtlich elegant. Eine tänzerisch, leichter Gegenpart zum Powerpaket 89. Prachtvoller, dezenter, seidenfeiner Palmer.
1991 Chateau Palmer, Margaux (Margaux)
94
trinken – 2035
Dez. 2021: Super expressive, röstige Nase. Merlot Anzeiger und viel getoastetes Barrique. Im Gaumen ausgewogen, mild. Sehr schön gereift. Von den Aromen und Stil her nahe am 90er. Zeigt aber noch mehr Reifepotenzial. Von wegen verschrienem 91er. 50% der Rebstöcke blieben vom Frost verschont, der Rest des Jahres war heiss. Das Resultat auch! Palmer liefert wahrscheinlich den besten 91er Margaux ab.
1995 Chateau Palmer, Margaux
94
trinken – 2035
Dez. 2021: Milde, defensive Nase. Pflaumen, Gewürze, Rauch, Tabak, Popcorn. Im Gaumen kommt mehr als man aufgrund des ruhigen Bouquets erwartet. Der 95er kommt jetzt in eine sehr schöne Trinkreife. War lange Zeit kompliziert und in sich verschlossen. Er ist kein kräftiger 95er wie die meisten Medoc Weine sondern eher ein eleganter „Médoc-Pomerol“, der in fünf Jahren seinem 90er ähneln dürfte.
1996 Chateau Palmer, Margaux (Magnum)
91
trinken – 2035
Dez. 2021: Defensives Bouquet. Blau- und schwarzbeerige Merlot Note aber alles in einer dezenten, verschlossenen Form. Aktuell mehr Holz, Tabak und erdige Noten. Ich vermisse etwas die Fruchtfülle des Jahrgangs. Etwas wirr. Vielleicht nicht ganz optimal für Merlot. Aber ein Glanzjahr für Cabernet Sauvignon
1998 Chateau Palmer, Margaux
93+
trinken – 2040
Dez. 2021: Jugendliches, röstiges Bouquet. Recht viel Barrique Einsatz, aber gute Fruchtsubstanz. Im Gaumen scheint er relativ schnell zu reifen, erste mineralische, pflaumige Noten. Etwas Blut, Teer. Tannine sind leicht mehlig und noch ist nicht alles stimmig eingebunden. Potenzial ist beeindruckend, und wenn man bedenkt wie gross die Merlots rechts in diesem Jahr waren, könnte da schon noch irgendwann der Nachbrenner gezündet werden. Geduld.
2000 Chateau Palmer, Margaux
94+
trinken – 2045
Dez. 2021: Mildes Bouquet. Klassische Merlot Noten von Pflaumen, Kirschen Brombeeren. Dazu dezente Holzbegleitung. Erste würzige Aromen und Terroirnoten. Im Gaumen ausgewogen, kraftvoll und lang. Was mir besonders gefällt, dass der spezielle Jahrgang nicht „overdone“ ist sondern eher klassisch, relativ kühl daher kommt. Wird ein grosser, zeitloser, klassischer Palmer Jahrgang.
2001 Chateau Palmer, Margaux
92
trinken – 2035
Dez. 2021: Offenes, röstiges Merlot Bouquet. Zugänglich reif. Geschmeidig im Gaumen. Ausgewogen, elegant, sehr rund, sehr geschliffen. Wirkt modern, etwas universell, gastronomisch. Ein schöner Palmer der früh schon seinen Zenit erreichen wird.
2003 Chateau Palmer, Margaux
93
trinken – 2040
Dez. 2021: Ich hatte ihn „lauter“ in Erinnerung. Die opulente Nase ist weg, reift relativ schnell. Geht Richtung 95er obwohl die Jahrgänge unterschiedlicher nicht sein könnten. Aktuell sucht er seinen Stil. Mehr Hitze Exotik oder doch eher klassisch Palmer? Warten.
2004 Chateau Palmer, Margaux
93+
trinken – 2040
Dez. 2021: Blumig, fruchtige Nase. Dezente Röstaromen. Zupackend im Gaumen, klassisch, gute Struktur und Länge. Etwas ungeschliffen, was absolut stimmig ist zur 2004er Stilistik. Ein kerniger, charaktervoller Palmer mit sehr gutem Reifepotenzial.
2005 Chateau Palmer, Margaux
98+
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Dez. 2021: Offenes, dunkles, sehr nobles Bouquet. Tolle, edle Röstaromen mit einer dramatischen dunklen Fruchtunterlagen. Der Wein wirkt enorm zugänglich obwohl er noch weit von seiner Trinkreife entfernt ist. Irgendwie kalifornische Opulenz ohne überheblich zu wirken. Heiss und trotzdem klassisch. Ein Palmer Ueberflieger. Das Maximum des Jahrgangs herausgeholt. Monumentaler, purer, frischer, Palmer.
2006 Chateau Palmer, Margaux
94+
trinken – 2045
Dez. 2021: Druckvoll, dunkelbeeriges Bouquet mit blaubeerigen (pflaumigen) Aromen. Alles in einer zurückhaltenden Form. Kräftige Gerbstoffe, präsente Säure. Ein Palmer Powerhouse mit intensiver Statur und Länge. Braucht viel Zeit. Wird gross.
2009 Chateau Palmer, Margaux
97+
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Dez. 2021: Typisch, dekadentes, überuferndes, heisses 2009er Bouquet. Wahnsinns Frucht, perfektes Toasting und enorme Frische. Im Gaumen beginnt er sich glücklicherweise „abzukühlen“. Nimmt klassische Konturen an, lässt sich als Palmer erkennen und nicht als Uebersee Pirat. Aktuell noch auf der Suche nach Typizität aber was hier vorhanden ist, wenn das mal ausbricht, kann es einer der allergrössten Palmerjahrgange aller Zeiten werden.
Warum muss der Palmer 2005 ausgetrunken werden ? Hatte bei der letzten Flasche nicht den Eindruck. Schreibfehler ?