Und noch ein Fünfziger….

So, jetzt sind sie alle durch. Die 1964er. Der letzte, der seinen 50. Geburtstag feierte war mein lieber Weinfreund Sven Fischer. Falls Sie ihn nicht kennen, beschreibt er sich gerne folgendermassen:  „Rieslingverliebter, Martha’s-Süchtiger und Freund einer gepflegten Weinrunde“. Sven ist einerseits als Arzt (man weiss ja nie…), andererseits aufgrund seines fundierten Weinwissens (Diplom-Sommelier) ein gern gesehener Gast an Verkostungen. Seine Tochter Julia führt zudem das eigenes Weingut Plo-Roucarels im Languedoc-Roussillon. Da dreht sich viel um Wein beim Sven und es ist immer ein Erlebnis, mit ihm ein paar Stunden über unser Lieblingsthema zu philosophieren.

Um seinen Fünfzigsten zu zelebrieren wählte Sven den Weinrausch (Nomen est Omen…) in Luzern. Da kocht jetzt Werner Tobler (ehemals Braui Hochdorf),  und das bedeutet, dass wir in Zukunft sicher öfters dort anzutreffen sind. Bei der Weinauswahl orientierte sich das Geburtstagskind an seinen roten Lieblingsgebieten Bordeaux und Kalifornien. Es war fantastisch, lieber Sven. Herzlichen Dank!

Eröffnet wurde der Abend mit zwei Serien Philip Togni Cabernet Sauvignons. Sven ist Riesenfan davon. Togni gründete seine Winery 1981 und die Erstausgabe seines Estate Wines (über 80% Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc Blend) erfolgte 1985. Philip Togni über seine Philosophie im TotalWine Video:

1991 Philip Togni Vineyard Cabernet Sauvignon wirkte anfänglich leicht dumpf, etwas muffig. Danach Rauch, Leder, Teer. Der Wein ist immer noch schön zu trinken, denke aber, dass er auch aufgrund seiner ungewohnt trüben Farbe den Zenit überschritten hat. Wunderbar präsentierte sich 1992 Philip Togni Vineyard Cabernet Sauvignon, mit röstigem Bouquet, Bisquit, Magenbrot. Dazu Pflaumen, Tabak und Kalk. Zupackend im Gaumen, viel robuster, rusitkaler Cabernet Stoff. Erinnert stark an ganz grosse Graves Weine. Überrascht hat mich 1993 Philip Togni Vineyard Cabernet Sauvignon. Beerig, frisches Bouquet. Etwas Pop Corn, Stroh und Tabak. Im Mittelteil weniger dramatisch als 92 und 94 aber grossartige Leitung für das schwierige Kalifornien Jahr. Einer der besten 1993er!

1994 Philip Togni Vineyard Cabernet Sauvignon ist ein genialer Wein. Schwarz- und blaubeerige Grundaromatik. Etwas Minze, Eukalyptus und Jod. Mineralisch, dichter Körper. Würziger, langer Abgang. Auch 1995 Philip Togni Vineyard Cabernet Sauvignon überzeugte auf hohem Niveau. Anfänglich etwas staubige Noten, verbesserte er sich im Glas. Rustikaler, erdiger als 94, mit viel Reserven und Kraft. Leider korkte der 1996 Philip Togni Vineyard Cabernet Sauvignon. Ich halte immer die Augen offen, nach alten Tognis. Wenn ich die Preisentwicklung der letzten Jahre anschaue, bin ich nicht der einzige, der danach sucht… wer bekanntlich zu spät kommt, bestraft das Portemonnaie. Grosse Togni Jahrgänge kosten bald gleichviel wie eine Flasche Martha’s Vineyard, womit wir beim nächsten Flight wären….

Ein absolutes Schmuckstück und eine kalifornischer Weinlegende ist 1975 Heitz Cellar Martha’s Vineyard Cabernet Sauvignon. Diese Flasche präsentierte sich in brillanter Form. Grant; Süsse Cassisaromen, Eukalyptus, Jod, Kampfer, Leder und Tabak. Superfein strukturiert, seidige Eleganz. Etwas Sherry im Gaumen. Harmoniert grossartig und zeigt für sein Alter eine beeindruckende Länge. Nahezu perfekt auch 1978 Heitz Cellar Martha’s Vineyard Cabernet Sauvignon. Keine Zweifel, keine Diskussionen über Kork, Fehler und Unsauberkeiten. Das sind jene Momente, wo die Herzen der Martha’s Liebhaber höher schlagen. Frische Aromen, süss, schwarzbeerig. Viele Minze, Eukalyptus, etwas Salbei und Teebaumöl. Ein eleganter und doch so rustikaler Wein. Zeitlos schön und immer noch jede Suche wert. 1984 Heitz Cellar Martha’s Vineyard Cabernet Sauvignon zeigte sich anfänglich wie so oft korkig und muffig. Darunter seine klassisch würzigen Aromen. Solche Jahrgänge schütten wir nicht weg, sondern stellen das Glas eine Stunde zur Seite und bewerten den Wein dann mit 18.5/20… Der ganz normale Heitz Wahnsinn. Soeben ist mir eingefallen, dass während dieser Serie eine neue Probe kreiert wurde: „Meet the Beast“…. Details folgen bald.

Nach soviel kalifornischem Charme zeigt sich 1994 Chateau Rauzan-Segla kühl und distanziert. Wirkt aus der Magnum sehr jung, frische blau- und scharzbeerige Aromen. Etwas trocken und schlanker als gewohnt. Zwischenphase oder halt vom Jahrgangspotential her doch nicht mehr möglich? Auf gutem Weg scheint 1995 Chateau Leoville Barton. Klassisch dunkelbeerig, Zedern, etwas Peperoni. Braucht noch ein paar Jahre um geschliffener, eleganter daher zu kommen.

Glücksmomente dann mit dem grandiosen 1959 Chateau Haut-Brion. Sven Fischer zauberte hier ein Prachtsexemplar dieses ultrararen Weins aus seinem Keller. Rösig, rauchiges Bouquet. Tabak, Weihrauch, Port, Malz, Schoko und etwas Soja. Wunderschön anschmiegsam, rund im Gaumen, feingliedrig balanciert und mit dramatischer Tiefe. Noch nie begegnete ich 1953 Chateau Pichon-Longueville Baron. Leicht metallisch im Bouquet, Schoko, Malz. Etwas schlanker, dumpfer Körper. Trotzdem erstaunlich gute Länge. Ein Hammerwein ist 1978 Chateau La Mission Haut-Brion. Die Farbe zeigt kaum ein Alter. Voluminöses Bouquet. Brotkruste, Bittermandeln, Trüffel,  Pflaumen, Kirschen, Leder und Tabak. Im Gaumen unglaublich beerig für sein Alter. Fast mollig konzentriert für La Mission. Enorm gehaltvoll.

Und gleich noch eine Premiere. Und was für eine! 1962 Chateau Mouton Rothschild steht vor mir. Ein bezaubernder, hoch eleganter Mouton. Würzig im Bouquet. Leder, Rauchfleisch, Pflaumen, Malz und Schokolade. Im Gaumen immer noch erstaunliche Substanz für das schwierige Jahr. Burgundisch weich, schlank und immer noch recht lebendig. Leider korkte 1982 Chateau Gruaud-Larose (zuletzt April 2014: 19/20 tr – 2025). Dafür gefiel 1990 Chateau l’Evangile. Dunkles Granat; reifes Bouquet mit Pflaumen, Rosinen, Kirschen, Datteln und Schweiss. Im Gaumen noch recht harsche Tannine und Säure. Eigentlich erstaunlich für einem 90er Pomerol. Jetzt sehr gut, aber trotzdem noch nicht ganz seine Harmonie gefunden.